Redebeiträge zur Anitrepressionsdemo

Hier die beiden Redebeiträge von uns zur Antirepressionsdemonstration vom Roten Dresden am 16.12. Nummer 1 dreht sich um die Klimabewegung und den Gegenwind eifriger Denunziant*innen in Medien und Politik. Als zweiten Redebeitrag haben wir was zum § 129 a/b StGB und die Verschärfung dieser Paragrafen im Jahr 2017 geschrieben.

 

Klimanotstandsstaat
Land auf Land ab warnen Politiker*innen gerade gerne vor einer neuen Roten Armee Fraktion. Gerade mal zwei Jahre ist es her, da schwadronierte der Leiter der Soko LinX von einer neuen RAF die in Leipzig Connewitz am entstehen wäre, weil sich Teile der Autonomen über alle Maßen radikalisiert hätten. Heute sind es Klimaaktivist*innen, denen mit der Keule „RAF“ der Kampf angesagt wird. 
Natürlich ist dieses Bild eine inhaltslose Kampfformel, mit der Rechte ihre politischen Gegner*innen diffamieren und isolieren wollen. Wer allen ernstes die Bomben der RAF in der Armeebasis Rammstein oder den erschossenen Arbeitgeberpräsidenten Schleyer mit der freiwilligen Selbstmontage mittels Sekundenkleber auf deutschen Straßen gleichsetzt, hat nicht mehr alle Latten am Zaun. Nun ganz offensichtlich wollen die, die da in den Äther der bürgerlichen Presse rein plärren von der historischen RAF nix wissen und noch weniger von ihr verstehen. Egal. Sie wollen über die RAF reden? Nur zu, dann reden wir doch mal über die RAF. 

Die RAF bildete sich am Ende der 60er Jahre. Ihre Vorgeschichte ist die Geschichte der Kämpfe gegen die Wiederbewaffnung und die atomare Aufrüstung der BRD. Zu ihrer Geschichte gehört der Widerstand gegen die imperialistische Verwüstung Vietnams und der Sieg der Guerilla auf Kuba. Ihre Radikalität speiste sich nicht zuletzt aus der Erkenntnis, dass die nationalsozialistische Elite die Entnazifizierung problemlos überstanden. In den Institutionen der BRD betrieb sie in den 50er und 60er Jahren die Kommunist*innenhatz einfach weiter. Und die Kämpfer*innen der RAF, namentlich Meinhof, Enslin, Meins und Baader, mussten mit ansehen, wie die Außerparlamentarische Opposition zerfiel unter Repression und Bekenntniszwang. Sie mussten mit ansehen, wie Rudi Dutschke niedergeschossen und Vietnam trotz aller Proteste in die Steinzeit gebombt wurde.
Was sie beobachteten war die erfolgreiche Eingliederung großer Teile der Welt unter das fordistische Produktionsregime. Im globalen Norden bedeutete es Waschmaschinen, Küchengeräte und Autos für die meisten, gepaart mit der relativen Meinungsfreiheit der bürgerlichen Demokratie. Der globale Süden wurde hingegen unter das Regime der rücksichtslosen Rohstoffausbeutung und Sklavenarbeit gezwungen.
Gegen dieses Gemisch aus imperialistischem Krieg und Aufrüstung, massiver Repression im Innern und kapitalistischer Atomindustrie griff die RAF zu den Waffen.
Hat sich an all dem so viel verändert?
Zum Thema Aufrüstung? 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, Drohnen und künstlich-intelligente Waffensysteme. 
Am deutschen Imperialismus? Der Afghanistaneinsatz, die militärische Mission in Mali, deutsche Waffen in den Händen türkischer Soldaten und Panzer für Saudi-Arabien. 
Am Stand der Repression im Innern? Seit 2017 hat die Polizei Maschinenpistolen, Handgranaten, Panzer, Staatstrojaner, Polizeispitzel. Man wünscht sich Predictive Policing und Massenüberwachung mittels Vorratsdatenspeicherung. 
Allein die Ideologie mit der die Verwüstung des Planeten gerechtfertigt wird, hat sich verändert. Es ist nicht mehr der faschistoide Antikommunismus der 60er Jahre, der uns allenthalben um die Ohren knallt. Nein, stattdessen serviert uns der smarte Kapitalismus das Heilsversprechen eines Green New Deal. Mit immer smarterem Elektroschrott und eneuerbaren Energien will die liberale Elite das Produktionsregime über die Zeit retten. Elektroschrott für den in afrikanischen Staaten Cobalt-Minen mit Sklavenarbeit betrieben werden. Erneuerbare Energien, deren Herstellung tonnenweise Wasser verschlingt. Das ganze Gerede vom Klimaschutz ist einzig ein Vehikel, um den Kapitalismus in eine neue Phase zu hieven. Mit der Rettung des Planeten als lebenswertem Ort für diese und künftige Generationen hat das alles nichts zu tun. 
Nun denn. All dies vor Augen sollten diejenigen die sich eine neue RAF zusammen phantasieren vielleicht etwas vorsichtiger sein. Denn wenn die Gründe für den bewaffneten Kampf, für die endgültige Abschaffung des kapitalistischen Elends nicht aus der Welt sind, dann könnte es sein, dass der Kampf selber nur eine Pause genommen hat.
Warum nicht eine Bank enteignen, die mit Rüstungsgütern und Klimakillern spekuliert? 
Warum nicht einen Flughafen lahmlegen, um seinen Ausbau zu behindern? 
Warum nicht eine Teslafabrik still legen, die uns das Grundwasser wegsäuft? 
Warum nicht einen Kohletagebau sabotieren, der zu den größten CO2-Erzeugern Europas gehört? 
Weil es nach den Gestzen dieses Staates illegal ist? Sicher nicht. Die Gewalt beginnt nicht mit der Sabotage. An erster Stelle steht die Gewalt der Herrschenden und ihrer Lakaien. 
Die Grenzen für diese Kämpfe liegen allein in ihnen selber: die Blockade und Sabotage von Umweltzerstörung, Krieg und Klassenkampf von oben sind nur ein Teil des Ganzen. Sie können nur in dem Maße fortschreiten, wie es auch die Organisation solidarischer Gegenentwürfe tun. Aber das diskutieren wir sicherlich nicht mit denjenigen, die damit beschäftigt sind Bomben für eine schlechtere Welt zu produzieren und zu werfen.
Nun, soviel zur RAF, eigentlich geht es uns ja um die Repression gegen und Solidarität mit der Klimabewegung. 
Im Jahr 2020 gab es bundesweit Abseilaktionen an deutschen Autobahnen. Die Blockaden sorgten für mehrstündige Sperrungen und verhinderten das immer weiter so des fossilen Irrsinns. Gegen die Aktivist*innen geht der Staat nach wie vor mit Bußgeldern und Prozessen vor. 
Im Jahr 2021 seilten sich wieder Aktivist*innen von Brücken über Autobahnen ab, um gegen die Ausrichtung der Internationalen Automobil Messe zu kämpfen. Sie wurden darauf hin von den bayrischen Bullen in Präventivhaft genommen. Im selben Jahr machten sich Hunderte an die Blockade des Leipziger Flughafens und wurden dafür mit Lügen, DNA-Entnahmen und Prozessen überzogen.
Im September 2022 blockierten Dutzende das Kohlekraftwerk Jänschwalde. Das Kraftwerk hat den vierthöchsten CO2 Ausstoß in Europa. Tausende Tonnen CO2 wurden eingespart, weil es durch die Blockade abgeschaltet werden musste. Die unfreiwillige Feuerwehr hat sich für die Aktion verantwortlich erklärt. Seitdem sitzen Ava und Ralph in Haft. Gegen ein erstes Urteil hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, weil sie die beiden für mindestens 6 Monate hinter Gittern sehen möchte. 
Vor und nach der Blockade gab es Angriffe auf die Kohlebahn. Sie versorgt das Kraftwerk mit Nachschub. Andernorts wurden Güterzug-Verbindungen, die Flüssiggas aus Osteuropa transportieren, sabotiert. 
Seit September 2022 wird erneut gegen Besetzer*innen des Danneröder Forst verhandelt. Bei der selben Besetzung war auch Ella verhaftet und für Monate in Haft gesteckt worden.
Dabei macht der Staat mit seiner Repression gemeinsame Sache mit den Unternehmen der Auto- und Kohleindustrie. Diese geht immer wieder mit Abmahnungen gegen Aktivist*innen vor. Millionensummen werden von Unternehmen als Schadensersatz für Betriebsausfälle gefordert, deren Geschäft aus der Vernichtung der Ressourcen des Planeten besteht. Nebenbei bemerkt, ein Vernichtungswerk, das mit Steuermitteln subventioniert wird.
Und aktuell schlägt der Staat mit allen Mitteln gegen die Letzte Generation zu. Zwei Menschen sitzen aktuell in der bayrischen Unendlichkeitshaft. Währenddessen verwüsteten die Sächsischen Bullen ihre Wohnungen auf der Suche nach Beweismitteln. Aktuellen Presseberichten ist zu entnehmen, dass das Innenministerium an Informationen über Strukturen und Hintergrundfiguren gelangen möchte: es riecht alles nach dem Terrorismus des Staates, der als Terrorismusparagraf 129 a/b des Strafgesetzbuches daher kommt. 
Wir haben es oben bereits ausgeführt: zwischen der rücksichtslosen Ausbeutung der Ressourcen des Planeten und dem Klassenkampf von oben gegen Arbeiter*innen und ihre Rechte besteht ein enger Zusammenhang. Ebenso lässt sich die Abschottung der Europäischen Union gegen Flüchtende nicht von der Repression im Innern trennen. Letztere nimmt zu, auch wenn wir weiterhin die »wunderbaren Freiheiten« des » gesegneten Liberalismus« genießen dürfen. 
Doch eins sei den politischen Eliten nochmal ins Stammbuch geschrieben: Eure Repression kennen wir schon, wir haben nichts vergeben und werden auch nichts vergessen.
Solidarität ist unsere Waffe! 



Weg mit den Paragrafen §§ 129 a/b StGB!
Von 2001 an ermittelte die Bundesanwaltschaft 7 Jahre gegen mutmaßliche Mitglieder der »militanten gruppe«. Die BAW hatte 4 Personen im Visier, von denen sie behauptete, sie hätten sich arbeitsteilig an der mg beteiligt, Texte geschrieben, Ziele ausgekundschaftet und Anschläge begangen. Strafbar sei das nach BAW und BKA als terroristische Vereinigung, als § 129 a StGB. Dumm nur, dass es ihnen nicht gelang den vieren so richtig etwas nachzuweisen. Ein wenig Textanalyse hier, ein bisschen DNA-sammeln dort, reichten nicht aus, um eine Gruppenstruktur den Kriterien der §§ 129 a/b StGB entsprechend nachzuweisen. Darum kassierte im Jahr 2008 der Bundesgerichtshof die Ermittlungen zu weiten Teilen. Das Verfahren durfte fortan lediglich gegen eine kriminelle Vereinigung geführt werden und vor allem urteilte der BGH, dass die Beziehungen zwischen den Beschuldigten zwar durchaus konspirative Züge tragen würden. Dass sei aber nicht hinreichend, um eine Mitgliedschaft in der »militanten gruppe« zu begründen.
Nach den alten Regelungen der §§ 129 a/b musste für den Nachweis einer kriminellen Vereinigung so etwas wie eine Gruppenstruktur, ein gemeinsames Ziel und eine regelmäßige und auf Dauer angelegte Kommunikation durch die Ermittlungen zu Tage gefördert werden. Genau das, was im Antifa Ost Prozess bis heute weitgehend fehlt.
Das es in Dresden trotzdem zu diesem Prozess kommen konnte, liegt an einer Gesetzesverschärfung aus dem Jahr 2017. Kurz vor dem Gipfel der 20 größten Industrienationen in Hamburg wurden zahlreiche Straftatbestände verschärft oder neu eingeführt, etwa der als „Bullen schubsen“ Paragraf bekannt gewordene § 114 StGB. Auch die §§ 129 a/b wurden 2017 verschärft. Die Bundesregierung setzte mit dieser Verschärfung einen Beschluss des Europarates um, der darauf abzielte die Verfolgung krimineller Vereinigungen zu vereinheitlichen. Aus dem Beschluss des Rates geht eine Konzentration auf Gruppen der organisierten Kriminalität hervor, die sich in der deutschen Umsetzung nicht widerspiegelt. In der BRD bleiben die §§ 129 a/b StGB ein zentraler Bestandteil der politischen Justiz.
In den § 129 wurde ein Passus eingefügt, welcher bisherige Merkmale krimineller Vereinigungen außer Kraft setzt. Vereinigungen waren bisher durch vier Merkmale gekennzeichnet. Sie war ein auf Dauer angelegter (1) personeller Zusammenschluss (2), dessen Zielstellung sich der*die Einzelne unterordnete und so ein gemeinsames Verständnis als Gruppe (3) mit einem Mindestmaß an gemeinsamer Organisation (4), bspw verbindlichen Regeln über die Willensbildung bestand. Die Punkte (3) und (4) wurden durch die Neufassung gestrichen. Sie lautet:
»Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.«
Diese Neudefinition des Begriffs „Vereinigung“ wurde ebenso auf den § 129 a StGN angewendet.
Außerdem wurde im § 129 ein Passus eingefügt, der die Taten neu regelt, deren Planung das Vorliegen einer kriminellen Vereinigung begründet. Bisher und auch in der Entscheidung des Europarates sollen Bagatelldelikte und ihre planmäßige Ausführung in Gruppen kein Anlass für Ermittlungen nach dem § 129 StGB bilden. Der „neue“ § 129 darf nun jedoch angewendet werden, wenn Straftaten geplant oder ausgeführt wurden, »die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind«. Im Gegensatz zur Definition der terroristischen Vereinigung im § 129 a gibt es für die kleine kriminelle Schwester keinerlei Straftatenkatalog, im Gegenteil ist der §1 29 fortan universell einsetzbar.
Letztlich bedeutet diese Veränderung des Strafgesetzbuches, dass alleine die Idee einer Gruppe zur Begehung eines Bagatelldelikts, etwa einer Sachbeschädigung mit bis fünf oder mehr Jahren Freiheitsentzug bestraft werden kann.
Ein Blick in das Strafgesetzbuch zeigt nämlich, dass unter den Tatbeständen, die mit mindestens 2 Jahren Freiheitsentzug bedroht sind, also auch Ermittlungen nach § 129 StGB begründen können, so einiges zu finden ist. Für linke Politik relevant wären da etwa die §§ 238 Nachstellung, 240 Nötigung, 241 Bedrohung, 241a Politische Verdächtigung.
Mit Nötigung versuchen die Bullen beispielsweise oft die Beteiligung an Blockaden gegen FundamentalistInnen, Nazis und andere Arschgeigen zu kriminalisieren. Das war im Februar 2010 und 2011 in Dresden der Fall und auch 2020 und 2021 wurden gegen gut 100 Menschen Gerichtsverfahren angestrengt, die den fundamentalistischen Schweigemarsch in Berlin blockiert hatten. Wie ist das denn nun liebe Bundesanwaltschaft, namentlich Frau Geilhorn, sind auch diese Menschen alle Teil einer ganz bösen Verschwörung gegen Recht, Ordnung und Gesetz?
Die Verschärfung der §§ 129 a/b StGB aus dem Jahr 2017 ist eine Farce. Der Staat hat sich hier einen Gummiparagrafen zu Recht gelegt, der unterm Strich gegen jede politische und unliebsame Arbeit angewendet werden kann. Ziel der ganzen Nummer, ist es jeden politischen Widerstand gegen Nazis und Rassismus, gegen Staat, Nation und Kapital zu zerschlagen. Widerspruch darf nur formuliert werden, wenn er systemkonform daher kommt. Er muss gar nicht militant oder besonders radikal sein, solange er sich weigert zu akzeptieren, dass die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft, die einzig richtige sein soll, hat er mit Repression zu rechnen. Das stellen die §§ 129 a/b sicher.
Und nun haben wir den Salat. 
Auf der Innenministerkonferenz schwadronierte der bayrische IM von einer kriminellen Vereinigung namens Letzte Generation. Wie, was, warum, häää? „Was soll das“ fragte sich und die Öffentlichkeit sein Kollege Haldenwang vom Bundesamt für Verfassungsschutz. Nicht mal der sieht nämlich so richtig, was der bayrische Blindgänger möchte. Er hält die Letzte Generation für allzu verfassungstreu – zu Recht – denn die Klimakleber*innen fordern ja nicht mehr als Verhandlungen mit »unserer« Bundesregierung. Scheißegal, freut sich hingegen der bayrische IM, denn er weiß, was er und seine Kolleg*innen in die Gessetzesnovelle von 2017 rein geschustert haben: die gruppenmäßige Planung und Durchführung von Straftaten die mit mindestens 2 Jahren Haft bedroht sind, können mit dem § 129 StGB als kriminelle Vereinigung verfolgt werden. Genau das ist es, was den Klimakleber*innen regelmäßig vorgeworfen wird, denn sie nötigen ja die armen Autofahrer*innen dazu noch ein paar Stunden mehr ihrer Lebenszeit im Stau zu verbringen
Sei’s drum. Wir sind alle 129! Für mehr militanten Antifaschismus! Für mehr militanten Klimaschutz!
Euer ermittlungsausschuss dresden!

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