Im Mai 2022 fanden sich in Dresden um die hundert Menschen zusammen, um zu diskutieren. Es war damals etwa anderthalb Jahre her, dass Lina im November 2020 verhaftet und per Helikopter nach Karlsruhe geschleift wurde. Und es war etwa acht Monate her, dass im September 2021 der Prozess gegen Lina und drei weitere Beschuldigte im Antifa Ost Verfahren eröffnet worden war. Nun, was noch? Etwa einen Monat nach Prozessbeginn, am 21. Oktober 2021 veröffentlichte eine Betroffene ihre Erfahrungen mit Johannes Domhöver und sprach über die von ihm ausgeübte massive sexualisierte Gewalt. Innerhalb weniger Wochen gab es weitere Positionierungen vor allem aus Berlin, die sehr klar belegten, dass Domhöver Teil linksradikaler Gruppen größtenteils in Berlin war und dass dem Outcall zu glauben ist.¹ Das zeigte zum Beispiel auch die Positionierung des Solidaritätsbündnis Antifa Ost, dass zum Einen Domhöver als Beschuldigten öffentlich benannte und zum Anderen jegliche finanzielle Unterstützungsleistung für ihn aufkündigte. Nur wenige Tage nach einem Outcall konnte dieser Schritt von außen gesehen nur bedeuten, dass alle üblicherweise vorgebrachten Fragen nach Beweisen, nach mehr Klarheit, nach diesem oder jenem, womit Betroffene sexualisierter Gewalt nun wirklich beweisen sollen, was sie erlebt haben, sich erübrigt hatten. Domhöver war und ist ein Täter sexualisierter Gewalt.
Was zu diesem Zeitpunkt noch keineswegs ausgemacht war, war der Fortgang der Geschichte. Würde Johannes Domhöver sich zu seinen Taten bekennen und einen Umgang finden? Würde er sich bei den Bullen als Verräter andienen? Am Rande sei bemerkt, dass auch in unserer Gruppe letzteres zwar von Einzelpersonen angesprochen wurde, wir aber nie aktiv in die Diskussion dazu gegangen sind, bevor es bekannt wurde. Entsprechend konnten wir im Juni 2022, einen Monat nach der Diskussionsveranstaltung im Mai, nur genauso dumm aus der Wäsche gucken, wie alle anderen auch. Einen aktiven Umgang hat das Kaninchen nicht gefunden, sondern der Schlange nur groß in die Augen gestarrt.
So viel zur Ausgangssituation für den folgenden Text, der in kurzen Passagen die Kernpunkte der damaligen Diskussion von immerhin gut hundert Genoss*innen umreißen soll. Wir stehen heute noch genauso blöde da, wie 2022. Wir haben zwar einiges daraus gelernt, aber die Konsequenzen sind weitgehend abstrakt geblieben. Die Causa Domhöver hat sich mehr oder minder entwickelt, wie die meisten anderen Fälle sexualisierter Gewalt in unserer Szene. Ein Aufschrei geht durch die Szeneöffentlichkeit. Da ist das Schwein, schnappt ihn euch und verkündet seinen Tod per Graffiti auf der Fusion. Ist er einmal exkommuniziert, widmen wir uns wieder den wichtigen Problemen und nähren unsere Hoffnung, dass schon irgendwas anders sein wird beim nächsten Mal. Drei Jahre später entdecken wir in einem Ordner auf den endlosen Weiten unserer Festplatten ein Transkript einer Diskussion und schreiben dazu nochmal einen Text.
3. Mai 2022, ein Szeneraum, die Stimmung angespannt.
Die Moderation macht den Auftakt und gibt die Spielregeln für den heutigen Abend bekannt. Hernach leitet sie ein, wie die Diskussion strukturiert werden soll:
„Die Taten von Johannes Domhöver und die schlechte Aufarbeitung haben die Soli-Arbeit für die vier Angeklagten in Dresden im aktuellen Antifa-Ost-Prozess nahezu unmöglich gemacht. Wir als dresdner Gruppen, die daran beteiligt waren, haben viel darüber diskutiert. Die Solidarität wurde in alle Richtungen auf die Probe gestellt. Die zentralen Fragen, die wir uns gestellt haben und die auch auf dem Flyer zu lesen waren, haben wir in 3 Punkte unterteilt.
Die 1. Gegenüberstellung ist Transparenz vs. Strukturschutz: Schließt der Schutz unserer Strukturen, welche von Repression betroffen sind, die Transparenz über ausgeübte sexualisierte Gewalt aus – gegenüber der Szene, gegenüber der Öffentlichkeit, gegenüber unseren Strukturen?
Die 2. Gegenüberstellung ist Soli-Arbeit vs. Betroffenenarbeit: Wie können wir beides zusammen denken und dabei Vertrauen aufbauen? Wie viel Vertrauen müssen wir für Solidarität eigentlich vorstrecken? Wie umgehen mit der Situation, dass sexualisierte Gewalt vor allem zum Szenegossip wird, statt das Betroffene Solidarität erfahren?
Im 3. Block wollen wir über Patriarchat, Männlichkeit und Militanz sprechen. Wo sind die Schnittstellen zwischen patriarchaler Prägung und den gewählten Aktionsformen? Was ist mit militanten FLINTA*s und feministischer Militanz? Warum gibt es die so selten oder werden sie selten gesehen?
Diese Fragen miteinander zu diskutieren hat uns ganz schön an unsere Grenzen gebracht und wir wussten oft nicht weiter und haben uns auch deswegen für so eine Veranstaltung entschieden.“
Damit ist das Programm für den Abend benannt und der Raum offen für Beiträge zum ersten Block. Zunächst kommt aber die Frage auf, wie wir überhaupt in unseren Räumen miteinander reden und wo Schluss ist. Die Einladung zur Diskussion hat offensichtlich auch Unbehagen erzeugt, da Anwesende sich nicht durchweg sicher sind, dass wir hier solidarisch miteinander sprechen können. Die Moderation versucht deswegen nochmal klar abzustecken, wo Schluss wäre: sexistische Aussagen über Betroffene sexualisierter Gewalt, Herabwürdigung, Beleidigungen gehen nicht.
Der erste Punkt, der dann angerissen wird, ist grundsätzlicher Natur und zieht sich anschließend durch die verschiedenen Punkte der Diskussion: Wie sollte Solidaritätsarbeit eigentlich grundsätzlich aussehen und welches Bild sollte sie zeichnen von denjenigen, die von Repression betroffen sind. Die Diskutant*in spricht von kritischer Solidarität, die keine Held*innen stilisiert, sondern ganz klar hat, dass auch die repressionsbetroffenen Genoss*innen Menschen dieser Gesellschaft sind – mit aller Hässlichkeit, die von ihr hervorgebracht wird. Weitere Diskutant*innen pflichten dem bei.
„Man sieht es immer wieder, dass Soli-Kampagnen sehr personalisiert gefahren werden und es dann auf so eine Darstellung von der Held*innen-Geschichte hinausläuft um emotionalen Zusammenhalt, um Unterstützungsbereitschaft zu schaffen. Ich denke, das macht einen Grund aus, warum bei Widersprüchen oder Rissen in diesem Bild dann schnell so Sprachlosigkeit und Unklarheit, wie gehe ich damit um, aufkommt. […] das ist, wie es auch schön im Bürgerlichen gemacht wird: die privaten Verwicklungen sind privat und da haben wir als Szene nichts mit zu tun.“
Die Überlegung, keine Held*innen zu stilisieren, wird im Verlauf der Diskussion sogar einmal soweit zu gespitzt, dass wir ganz generell auf Personalisierungen in der Solidaritätsarbeit verzichten sollten. Stattdessen sollte die inhaltliche Auseinandersetzung hervorgehoben werden und darüber gesprochen werden, warum beispielsweise militante Aktionen gegen Neonazis notwendig sind. Aber auch ein zweiter Punkt zieht sich wie ein roter Faden durch die Diskussion: der Punkt an dem wir heute stehen, mitten in einem Gerichtsverfahren, nach Jahren der politischen Zusammenarbeit mit Täter*innen und der anhaltenden Akzeptanz dieses Verhaltens, ist es reichlich spät, um sich über sexualisierte Gewalt auseinanderzusetzen. Es hätte lange, lange vorher jemand das Wort ergreifen müssen und sexualisierter Gewalt entgegentreten müssen: „Halt Stopp, so geht es nicht weiter!“ Diese Aufgabe können wir nicht lösen, wenn es zu spät ist, sondern die müssen wir anpacken, im konkreten Moment.
Zu der aufgemachten Gegenseitigkeit von Strukturschutz und Transparenz kommt die Diskussion immer wieder auf die Öffentlichkeitsarbeit zu sprechen: Welche Öffentlichkeit müssen wir wählen für Outcalls, für Auseinandersetzung, für Statements an die eigene Szene, für die Reflexion über gemachte Fehler? Und wie müssen wir in Fällen von Repression für die Betroffenen Stimmung machen und für unsere politischen Ideen werben?
Dabei stehen die beiden Pole „Jede Information wird irgendwann verwendet werden, wenn die Bullen an sie ran kommen.“ und „Wir können eh nicht wirklich verbergen, wer mit wem zusammenarbeitet.“ unvermittelt nebeneinander. Allerdings herrscht Einigkeit darüber, dass unterschiedliche Kanäle an unterschiedlichen Punkten angebracht sind. Nicht alles muss auf indymedia veröffentlicht werden und gleichzeitig sind die Umgänge mit sexualisierter Gewalt und die Kontakte untereinander derart schwach und zäh, dass die Statements der Anwesenden kaum Vertrauen in die „interne Kommunikation“ ausdrücken.
„In den Fällen, wo es in die Öffentlichkeit getragen wird, wo es Outcalls gibt, sei es jetzt auf Indy oder im Fall der Linkspartei über den Spiegel, sind ja vorher in den allermeisten Fällen schon viele andere Schritte erfolgt, die nicht auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Das ist ja für viele im Prinzip der letzte Befreiungsschlag und ich glaube auch, das muss einem klar sein, dass das sehr kritisch ist, das dann zu verurteilen als Gefährdung der Szene, wenn vorher die Ausübenden von Gewalt sich dem, und vielleicht auch ihr Umfeld, aktiv entzogen haben.“
Was also tun, wenn wir erfahren, dass Repressionsbetroffene gleichzeitig patriarchale (oder ja denkbar auch rassistische…) Gewalt ausgeübt haben? Gibt es die Möglichkeit sie zu unterstützen, aber auf leisen Sohlen, ohne sie als große Antifas zu stilisieren? Letztere Frage scheint aus ganz konkreten Überlegungen zu Fällen motiviert zu sein. Und tatsächlich sind ja viele Prozesse – so wird es immer wieder betont – nicht so derartig krachend und laut, wie der des Johannes Domhöver. Einige wenige Stimmen betonen sogar, dass auch ab und an erfolgreiche Fälle von Täterarbeit zu verzeichnen seien. Doch die Erwartungshaltung an eine politische Bewegung kann nicht sein, sich auszuschweigen:
„Zu erwarten, dass nämlich da, wo alle anderen schon verkackt haben, wir unsere Kritik dann unter den Tisch kehren, weil sonst sind wir ja diejenigen, die die Strukturen an die Bullen ausgeliefert haben oder dafür sorgen, dass der Mensch dann irgendwie aussagen könnte, verlagert halt einfach die Verantwortung dahin, wo sie nicht gehört.“
Wo liegt die Grenze zwischen Fehlerkultur und Täterschutz? Eine Idee die aufkommt, ist die, dass Solidarität sich an Bedingungen knüpfen könnte. Wenn eine Auseinandersetzung erfolgt, dann können wir zusammen arbeiten. Dann kann zum Beispiel auch Geld fließen. Zunächst erntet die Idee Zustimmung im Saal. Später wird der Faden aber wieder aufgegriffen und heftig kritisiert.
„Ich wollte kurz auf einen Punkt von dir eingehen, weil dein Punkt auch war, inwiefern wir Solidarität an so Bedingungen knüpfen können. Also so: „Hey, du machst diesen Reflexionsprozess, dann kriegst du Geld von uns.“ Das klingt erst mal nett so, weil man hat ne Machtposition in der man sich befindet, aber ich würde das ablehnen in so ne Richtung zu gehen. Entweder das kommt selber oder das geht nicht.“
Die folgende Redner*in springt dem bei:
„Es macht ja in der Arbeit auch gar keinen Sinn, nen Typen der sich reflektieren soll, dafür auch noch was zu geben. Entweder es kommt aus ner Eigenmotivation in dem Moment, wo nen Reflektionsprozess einsetzt. Oder nicht. Aber nicht erst in dem Moment, wo gesagt wird „Ey! Oh Shit! Jetzt bin ich von Repression betroffen. Ach blöd, es gibt auch diesen Outcall, naja, da kann ich ja nen geilen Deal draus machen: „Ihr unterstützt mich wieder, ich reflektier mich!““
Wer diese Reflexion nicht auf sich nimmt, wird in mehreren Beiträgen deutlich als Täter und damit auch als Verräter an den politischen Idealen benannt. Nicht, wer mit den Bullen quatschen könnte, weil die Solidarität ausbleibt, sondern wer sexualisierte Gewalt ausübt, ist ein Sicherheitsrisiko.
„Wenn ihr in eurer Gruppe einen Menschen habt, der vergewaltigt, der kann von den Bullen benutzt werden. Ganz viele Menschen verstehen das nicht, aber wenn die Bullen raus finden, dass da einer zum Beispiel eine Frau vergewaltigt. Dann gehen die zu diesem Menschen und sagen „Ey du kriegst weniger Bestrafung und erzählst uns ein bisschen über eure Gruppen.“ Das wird ganz oft ignoriert, weil es ist ja mein Kumpel, weil es so ein geiler Typ ist. […] Wir machen POLITISCHE Aktionen und Bewegung und da sollten unsere Handlungen auch zu unseren Werten passen.“
Was aber sind diese Werte und worin zeigt sich eine vernünftige gemeinsame Auseinandersetzung mit diesen? Wie sozialisieren wir uns gegenseitig in der politischen Organisierung? Wer wuppt die politische Bildung zu sexualisierter Gewalt und erfolgreichen Prozessen darum? Und welche Sichtbarkeit bekommen Formen politischer Aktivität, die nicht als Werbebilder für die eigene Radikalität taugen?
Solidarität kann keine Einbahnstraße sein, von Soligruppen hin zu Repressionsbetroffenen. Auch in der anderen Richtung muss etwas passieren. Und Solidarität gibt es nicht nur im Angesicht von Repression. Betroffenen sexualisierter Gewalt muss unsere Solidarität gelten, noch umso mehr, als dass es von ihnen nie Held*innenerzählungen gibt, kein heroischer Habitus mit dieser Betroffenheit einher geht, sondern allzu oft Schweigen und Desinteresse.
Die Fragen nach Militanz – ist sie heute mehr Habitus oder ehrenwerte, notwendige Praxis von allzu Wenigen und was ist Militanz überhaupt – werden nur am Ende der Runde angerissen. Der Abend ist zu weit fortgeschritten und außerdem machen sich zwei kritische Stimmen bemerkbar. Sie merken an, dass sehr viel Zeit des Diskussionsabends wieder mal darum gekreist ist, sich an Tätern, cis-Männern und ihren Formen der Verweigerung abzuarbeiten, statt die Solidarität mit den Betroffenen sexualisierter Gewalt als zentralen Ausgangspunkt zu nehmen. Und außerdem sind unter hundert Linksradikalen, Autonomen und Anarchist*innen erschreckend wenige im Raum zu finden, die Wissen über sexualisierte Gewalt, Trauma und Täterschutz aus einer theoretischen und praktischen Erfahrung heraus überhaupt haben.
„Ich weiß nicht, wie oft ich Bock habe über so Cis-Typen noch zu diskutieren. Ich finde, es ging noch sehr wenig um Betroffene. Was ist da wichtig so mit zu denken? Es gibt ja Mechanismen die ne Rolle spielen, Gefühle die stattfinden, wie Scham und Schuld. Aus so nem Ding von: „Ich gebe lieber mir selbst die Schuld, wenn irgendwas passiert“, gebe ich mir auch die Schuld, wenn Solidarität eingestellt wird? Oft wird gesagt: „Es sollte von Betroffenen möglichst schnell offengelegt werden, dass Übergriffe passiert sind.“ Es ist gar nicht normal, dass Leute schnell danach darüber reden können. Ich habe das Gefühl, es fehlt ganz viel Wissen dazu. Es muss sich Wissen angeeignet werden. Was ist Prävention? Was ist Umfeldarbeit? Wenn wir wüssten, dass diese Arbeit passiert, dann müsste es auch keine Outcalls geben als letztes Mittel.“
Mit diesem von uns ans Ende gesetzten Schlusswort verlassen wir den Saal, in dem nach einem Schlusswort der Moderation Stühle gerückt und noch Kontakte ausgetauscht werden. Wir spulen vor: im Juni 2022 kommt es zu weiteren Hausdurchsuchungen an einem Mittwoch, denn in Leipzig heißt Mittwoch zu dieser Zeit Hausdurchsuchung, Hausdurchsuchung und nochmal Hausdurchsuchung. Im Durchsuchungsprotokoll wird klar: Johannes Domhöver wurde in Polen von den Bullen angeworben. Kurz darauf sitzt er in Dresden im Gerichtssaal und einige der Zuschauer*innen vergießen Tränen der Wut und Enttäuschung. Wir können aber auch noch das Klatschen hören, das eine Genossin begleitet, die das Gericht als Zeugin vorführen möchte. Während „Arthur“ vorne sitzt und sich als Kenner der linken Szene aushorchen lässt, sitzt „Anna“ da und hält die Schnauze. Zum Abschied zieht sie den Pullover aus und ein „Free Lina“-Shirt kommt zum Vorschein. Es erscheinen weitere Texte, die Auskunft geben über den Wissensstand der deutschen radikalen Linken zu Sexismus und patriarchaler Gewalt. Und es zeigt sich auch, dass für einen Kronzeugen auch ein Strafverfahren wegen Vergewaltigung mit einem einfachen Deal enden kann. Von Johannes Domhöver sehen wir nach dem Ende der Verhandlungen in Dresden nur noch einmal die Füße und Hände, welche unter einem absurden Regencape hervorragen. Das muss er bei seinem Gerichtsprozess tragen, bis die Presse raus ist und keine Bilder seiner Visage mehr knipsen kann.
Am Ende werden die vier Angeklagten in Dresden zu unterschiedlich hohen Haftstrafen verurteilt. Das aber erst ein Jahr später im Mai 2023. Und während ganz öffentlich und für alle sichtbar die nächste Repressionswelle an Fahrt aufnimmt, können die meisten bis heute sicherlich nicht sagen, wie mit sexualisierter Gewalt umgegangen werden sollte und wie viele Betroffene wir seitdem als Verbündete verloren haben.
Ein Rückblick nach vorn.
Die Diskussionsveranstaltung ist nun mehr als 3 Jahre her. Viele der angerissenen Punkte wurden später in längeren Pamphlets noch genauer ausformuliert¹. Man könnte auch sagen, besser formuliert. Das zwanzig-seitige Transkript, dass wir aus der Aufnahme – die schon lange säuberlich gelöscht wurde – erstellt und anonymisiert haben, liest sich doch manchmal holprig. Gedanken werden angesprochen und im Redefluss wendet sich der*die Sprecher*in anderem zu, verliert den Punkt oder bezieht sich auf lange vorher getätigte Aussagen. Den Vorteil, den der Abend aber allen Texten, die danach entstanden sind, gegenüber hatte, ist, dass wir endlich einmal miteinander statt übereinander gesprochen haben. Vielleicht manchmal unbeholfen und unsicher. Aber immerhin etwa hundert Genoss*innen haben das Thema im selben Raum verfolgt. Darin liegt ein Ansatzpunkt, den wir bis heute leider nicht gut weiter verfolgt haben. Wir müssen mehr miteinander sprechen. Der Fall Domhöver macht das eigentlich sehr deutlich. Und wir müssen auch nicht nur über Organisationsfragen sprechen, wie dass die deutsche Linke noch am häufigsten tut. Sondern wir sollten das, was wir in unseren Organisationen machen und warum wir denken, dass machen zu müssen zum Thema erklären.
Das Antifa Ost Verfahren war für uns ein harter Brocken – bis hierher. Man muss ja nun bereits hinterher schieben, der Teil 1. Auch Teil 2 wird sich ab nächster Woche in Dresden zutragen. Auch in diesem Prozess gibt es Täter- und Täterschutzvorwürfe gegen einen Teil der Angeklagten², was wieder ähnliche Fragen wie vor 3 Jahren aufwirft. Nicht nur deshalb braucht es weiterhin eine Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld Repression, Solidarität und sexualisierte Gewalt.
¹ Wer die Debatte nachverfolgen will, sei hier auf unsere Chronik verwiesen. Falls ihr Texte entdeckt, die fehlen, sagt uns doch unbedingt Bescheid. Kontakt via verschlüsselter Mail an ea-dresden@[SPAMSCHUTZSPAM]so36.net
² https://de.indymedia.org/node/541934