Auch wir waren am Samstag mit unterwegs. Zur Dokumentation hier unser Redebeitrag:
Wir werden in diesem Redebeitrag kurz über den §129 erzählen.
Der Paragraf soll zur Verfolgung krimineller Vereinigungen dienen, also Gruppen die sich zusammen getan haben um allerlei kriminelles zu tun. Der Zusatz §129a, der sich gegen terroristische Vereinigungen wendet, wurde in den 1970er Jahren eigens geschaffen, um die Verfolgung der RAF effektiver zu gewährleisten. 2002 wurde im Schatten des Attentats vom 11. September der §129b eingeführt, um auch terroristische Organisationen aus dem Ausland in Deutschland verfolgen zu können. Heute ist die Liste dieser Organisationen lang, auch mit dabei sind natürlich zahlreiche linke Gruppen, etwa die kurdische PKK.
Der 129er ist vor allem eins, ein Schnüffelparagraph.
Ist erstmal eine entsprechende Organisation konstruiert, die mit dem Paragraphen belegt wird, haben Bullen weitergehende Möglichkeiten, für die sie sich nicht jedesmal eine richterliche Erlaubnis holen müssen, sondern gleich loslegen können.
Dazu zählen Razzien, Observationen, Telefon- und Mailüberwachungen, Einsatz von V-Leuten, Anbringen von Peilsendern an Autos, Raster- und Schleppnetztfahndungen.
Durch das 129er-Verfahren von 2009-2017 in Dresden gegen die „antifa-sportgruppe“ wissen wir, wie versucht wird gesamte Strukturen auszuspionieren und lahmzulegen. Damals versuchten die Bullen, ganz ähnlich wie im Lina-Verfahren, ein paar körperliche Angriffe auf Neonazis einer Gruppe unterzuschieben. Wie im Fall Lina konstruierten sie sich dabei, einige angeblich eindeutige Merkmale der Aktionen und begannen dann bei den „üblichen Verdächtigen“ mit Überwachungsmaßnahmen. Mitunter können sich Personen in einem netz wiederfinden, die selbst kaum bis gar nichts mit linksradikaler politik zu tun haben, aber eventuell jemanden kennen, der jemanden kennt, der aktiv ist und sich mit dem eventuell telefonisch zu einem Kinobesuch verabredet hat. Das ist beim Paragrafen 129 insofern relevant, als dass, sobald einmal die Vereinigung nachgewiesen ist, nur noch die Mitgliedschaft einzelner Personen bewiesen werden muss, um sie mit extrem hohen Strafen zu bedrohen. Ob die Person an Straftaten beteiligt war oder nicht, ist dabei unerheblich.
Es reicht ein geringfügiger Anfangsverdacht für die Hüter*innen von recht und ordnung um eine kriminelle Vereinigung zu sehen, um all ihre Instrumente auszupacken. Es muss für eine Verurteilung nicht mal zu einer konkreten Straftat gekommen sein, im Gegenteil reicht allein der Zusammenschluss unter einer bestimmten rechts- oder staatsfeindlichen Gesinnung mit dem späteren Ziel auch mal zur Tat zu schreiten.
Zu einer Anklage in dem Sinne kommt es prozentual eher selten. Noch seltener zu einer Verurteilung, da wie gesagt Schnüffeln und Einschüchtern ergiebiger sind.
Wer lust hat sich zu dem Dresdner Verfahren und über allgemeine Aspekte des §129 eingehender zu informieren, findet auf der Website des Dresdner ermittlungsausschusses eine verlinkte Broschüre.
Solidarische Grüße richten wir an dieser Stelle noch an unseren Genossen Cem, der derzeit in Berlin vor Gericht steht. Früher war er angeblich mal Teil einer militanten und klandestinen Struktur der Revolutionären Aktionszellen (RAZ), hat angeblich auch die radikal mit raus gegeben und dann auch noch bei der Revolutionären Linken mitgemacht. Heute sind gerade mal einige einzelne Straftaten aus den Jahren 2009-2011 übrig geblieben. Trotzdem steht er vor Gericht. Wir wünschen dir alles gute!
Laßt euch nicht einschüchtern!
Freiheit für Lina!