Drei Jahre nach den Ereignissen im Mai 2022 fand nun die Berufungsverhandlung statt in der Causa des Genossen F, der damals einen rechten Prozessbeobachter beim Antifa Ost Prozess vors Schienbein getreten haben soll. In der Mittagspause hatte es ein Gerangel mit dem Rechten Eberhard Schinck gegeben. Der hatte gegenüber linken Prozessbeobachter*innen auf „10 Jahre für die Enslin für Arme“ – gemeint war die angeklagte Lina – getippt. Einen Schienbeintritt später wurde unser Genosse angezeigt und musste sich in mehreren Gerichtsverfahren mit Schinck rumstreiten. Letzterer besuchte ihn auch in Begleitung einer vermummten Person an seiner Wohnanschrift und machte Fotos. Den Bericht zur ersten Verhandlung findet ihr hier: Auftaktverhandlung. Außerdem wurde auf de.indymedia.org ein weiterer Bericht zum zugehörigen Verfahren wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte veröffentlicht.
Am 12. März fand sich Schinck erneut mit einem Begleiter am Amtsgericht ein. Der Begleiter trat auf, als hätte Schinck einen Personenschutz nötig und sollte ihn gleichzeitig über die Geschehnisse im Prozess auf dem Laufenden halten, da Schinck als Zeuge nicht dauerhaft anwesend sein durfte.
Zunächst wurde das erstinstanzliche Urteil verlesen. Der Genosse war damals zu 30 Tagessätzen a 30 Euro Geldstrafe und 500 Euro Schmerzensgeld verurteilt worden. Das Urteil macht zahlreiche Ausführungen zu den Umständen unter denen die vermeintliche Körperverletzung geschehen war. Der Tritt reihte sich ein in eine geradezu kriminelle Strategie der linken Prozessbeobachtung, Schinck und seinesgleichen vom Prozess auszuschließen. Damit sei ein Grundrecht verletzt worden und der Tritt entsprechend hart zu bestrafen. So zumindest das Urteil der ersten Instanz.
Die Staatsanwaltschaft stimmte mit ihrer Anklage erneut in dasselbe Horn. Die Berufung sei zu verwerfen. Die Verteidigung hingegen bestand darauf, dass das Urteil falsch sei. Weder habe es eine Kampagne in der geschilderten Art gegeben, noch sei der Schienbeitritt als Körperverletzung zu verurteilen. Stattdessen sei ihm ein Gerangel angefangen von Herrn Schinck vorangegangen. In diesem Kontext sei der Tritt zwar passiert, dass räumte auch der Angeklagte in der Berufungsverhandlung ein, aber als Verteidigungshandlung gegen einen Angreifer passiert. Dies erklärte der Angeklagte in einer kurzen Erklärung, in der er den Hergang der Situation aus seiner Sicht schilderte. Außerdem erläuterte die Verteidigung, dass ein Schmerzensgeld von 500 Euro viel zu hoch angesetzt sei. Selbst bei Fällen schwerer häuslicher Gewalt, welche die Verteidigerin regelmäßig als Vertretung der Betroffenen begleite, gäbe es selten mehr als 100 oder 200 Euro Schmerzensgeld. Ein Tritt ohne gesundheitliche Folgen müsse deswegen deutlich schwächer bestraft werden.
Die Verteidigung legte außerdem erneut Lichtbilder vor, die eine Verletzung am Hals des Angeklagten zeigen, die in dieser Situation entstanden war.
Im Anschluss wurde erneut ein Polizeizeuge gehört. Dieser war an besagtem Tag vor dem Gerichtsgebäude eingesetzt gewesen. In der Mittagspause hätten er und seine Kollegen ein Geschrei gehört. Als er deswegen aus seinem Auto stieg, habe er ein Gerangel gesehen. Eine Gruppe aus etwa zehn Personen habe den Herrn Schinck umringt. Der Angeklagte hätte den Schinck vors Schienbein getreten. Deswegen sei er zunächst festgenommen und dann eine Polizeikette zwischen Schinck und der Menge gezogen worden. Dabei sei es dann zu einer weiteren Festnahme wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gekommen.
Anschließend wurde Eberhard Schinck selbst gehört. Er schilderte sehr ausführlich alle möglichen Situationen in denen er am Gericht gewesen und dabei auch immer von „der Antifa“, „der Vorfeldorganisation der Hammerbande“ und Angehörigen bedrängt worden sei. Auch die Situation mit dem Angeklagten schilderte er. Der Tritt sei unvermittelt gekommen, nachdem eine Frau und zwei Begleiter ihn bedrängt hatten. Gleichwohl sei der Tritt auch nichts gewesen, wo er jetzt ein Fass wegen aufmachen würde. Nach zwei Stunden sei jeglicher Schmerz verschwunden gewesen. Später hätte er dann noch einen Lackkratzer an seinem Auto wahrgenommen. Zu dem Zeitpunkt sei er aber schon zu Hause gewesen. Er verdächtige zwar die Personen vor dem Gericht, könne das aber nicht beweisen. In seinem Auftreten konnte Schinck seine Abneigung gegenüber linkem Gedankengut nicht verstecken, auch wenn er einen Beweis mitgebracht hatte, der ihm dabei helfen sollte. Er hatte den Vorschlag der Verteidigung aus der ersten Instanz aufgegriffen und eine Auskunft beim Landesamt für Verfassungsschutz und bei Sächsischen Landeskriminalamt gestellt. Die Antwort sei jeweils gewesen, dass über ihn nichts vorliege. Das zeige, dass er keine Verbindungen zur rechten Szene oder eine Vorgeschichte in der Richtung habe.
Das Gericht deutete nach einem Rechtsgespräch an, dass es bereit sei das Urteil entscheidend abzumildern. Die Gesamtsituation habe sich sehr aufgeschaukelt in diesem eigentlich nicht wirklich relevanten Verfahren. Die erstinstanzliche Urteilsbegründung bezeichnete der vorsitzende Richter als überzogen und an der eigentlichen Sache vorbei gehend. Er wolle nur den Tritt vors Schienbein hier behandeln und keine politischen Umstände darum herum. Die Verteidigung verzichtete darum auf weitere Beweisanträge.
Nach einer kurzen Pause folgten die Schlussvorträge sowie das letzte Wort des Angeklagten. Dieser verlas eine vorbereitete Erklärung, in der er noch einmal auf den weiteren politischen Kontext des gesamten Verfahrens einging. Besonders betonte er die sich vom Antifa Ost Verfahren bis zum hiesigen Prozess ziehende Misogynie der prozessbeteilligten cis-Männer. Diese dokumentieren wir im Anschluss an den Bericht.
Die Erklärung des Angeklagten sorgte dann dafür, dass das Gericht von der angekündigten Abmilderung nicht wirklich Gebrauch machte. Es sei, so die Begründung des Richters, für den Angeklagten anscheinend noch kein Gras drüber gewachsen. Wenn er nicht bereit sei, dass Ganze auf sich beruhen zu lassen, dann müsse die Verurteilung auch anders ausfallen. Aus diesem Grund wurde der Angeklagte zu 30 Tagessätzen a 20 Euro – 10 Euro weniger als in der ersten Instanz – und einem Schmerzensgeld von 100 Euro verurteilt. Eine Revisionsverhandlung ist zwar noch möglich, aber unwahrscheinlich.