erschienen in der RHZ 2/2022
Am 1.12.2021 wurde ein Dresdner Genosse von der 12. Strafkammer in der Berufungsverhandlung mit überraschender Deutlichkeit frei gesprochen. Zuvor war er in der ersten Instanz am 13.07.2021 zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt. Ärgerlich an diesem Urteil war weniger die Höhe der Verurteilung, sondern ihre politische Dimension.
Worum ging‘s?
Dem Genossen wurde vorgeworfen, als Anmelder einer Demonstration gegen die Einführung des Neuen Sächsischen Polizeigesetzes nicht oder nicht ausreichend gegen Auflagenverstöße vorgegangen zu sein. Teilnehmer*innen der Demonstration hatten Rauchtöpfe abgebrannt und Seitentransparente gezeigt, welche nicht den Auflagen entsprachen. An einer Stelle der Route, an der der Lautsprecherwagen einen anderen Weg fahren musste, hatte sich außerdem ein Teil der Demonstrant*innen abgespalten.
Dabei hat die Polizei nicht in die Versammlung eingegriffen, hielt es selbst nicht für geboten zu filmen. Darüber hinaus konnte weder in der Anklage noch im ersten Gerichtsprozess geklärt werden, ob und wie der Anmelder auf die Aufforderungen der Polizei reagiert hatte. Es konnte lediglich festgestellt werden, dass das bemängelte Seitentransparent auf der Demonstration gekürzt wurde und dass es nach Ansprache durch die Polizei Durchsagen vom Lautsprecherwagen zum Verbot von Glasflaschen gab.
Schon in der ersten Verhandlung wurde durch die Verteidigung klar gestellt, dass unklar ist, worauf genau sich die Anklage bezieht. Dem Anmelder selbst wurden zu keinem Zeitpunkt Straftaten vorgeworfen. Dies änderte sich auch in der Berufungsverhandlung nicht. Von Seiten der Staatsanwaltschaft wurde die gleiche Argumentation genutzt und auch die gleichen Polizeizeug*innen geladen.
Die Politische Dimension des Verfahrens
Das erstinstanzliche Urteil würde letztlich bedeuten, dass, wann immer die Polizei sich nicht selbst die Finger schmutzig machen will, sie Demonstrationsanmelder*innen dazu drängen könnte, Demonstrationen gegen einzelner Verstößen aufzulösen. Anmelder*innen stünden so immer und
von Anfang an unter Druck, da sie, wenn sie ihre Demonstration durchziehen wollten, mit Strafverfolgung zu rechnen hätten. Zu Ende gedacht, würde bereits ein*e einzige*r Teilnehmer*in ausreichen, um die Versammlungsleitung mangels eigener Befugnis zum Ausschluss zur Beendigung zu zwingen. Diese würde damit sich und die anderen Teilnehmer*innen stärker in der Ausübung ihres Grundrechts auf Versammlungsfreiheit beschneiden, als es der Polizei selbst erlaubt wäre.
In der Hauptverhandlung wurden diese Konsequenzen einer Verurteilung in der
Berufungsverhandlung durch Anträge herausgestellt. Glücklicherweise war recht früh abzusehen, dass die Verhandlung eher auf eine Einstellung oder einen Freispruch hinaus laufen würden.
Die Staatsanwaltschaft hatte sich keine neueren Argumente zurecht gelegt, sondern blieb dabei, dass der Anmelder sich nicht ausreichend bemüht gezeigt hätte, etwaige Auflagenverstöße zu verhindern bzw. im Nachhinein zu unterbinden. Dabei stützte sie sich auf drei Polizeizeugen, die schon in
erster Instanz ausgesagt hatten.
Bei deren Befragung kamen folgende Punkte zur Sprache: Die Polizist*innen schilderten, dass siekeine der Einsatzlage entsprechenden Kräfte zur Verfügung hatten. Die Demonstration war letztlich weit größer als erwartet. Eine negative Gefahrenprognose hatte es nicht gegeben. Um den Einsatz erfolgreich abzuschließen, verzichtete die Einsatzführung darum auf Eingriffe oder von ihr als provokativ eingeschätzte Präsenz entlang der Demostrecke. Letztlich regelte die Polizei nur den Verkehr. »Trotz dessen« blieb es friedlich und die vernommenen Bullen mussten einräumen, dass die Veranstaltung einen ruhigen Verlauf nahm.
Was ihrer Meinung nach nicht gut gelaufen sei, war die Kommunikation mit dem Anmelder. Dieser sei ihnen wenig entgegengekommen und habe sich nicht ihren Erwartungen gemäß verhalten. Am Ende der Demonstration hatte der Einsatzleiter darum seine Personalien aufgenommen.
Wenige Tage nach der Demonstration hatte es dann eine Sitzung von LKA-Beamt*innen, der Versammlungsbehörde und der Einsatzleitung gegeben. Bei dieser sei über den Verlauf der Demonstration und auch ein „allgemeines Problem“ mit dem Anmelder gesprochen worden. Dies war über die Akteneinsicht im Verfahren ans Licht gekommen. Letztlich konnte der Inhalt dieses Gesprächs nicht ans Licht befördert werden. Allerdings liegt der Verdacht nahe, dass erst hier eine Anzeige gegen den Anmelder zurechtgelegt wurde.
In ihrem Abschlussplädoyer führten die Anwält*innen Isabel Antz und Mark Feilitzsch noch einen letzten Punkt aus: die Auflagen, für deren Einhaltung ihr Mandant angeblich zuständig gewesen sei, sind selbst schon rechtlich fragwürdig bis illegal. So ist es bspw. gängige Praxis bei Demonstration das Mitführen von Pyrotechnik oder Vermummungsgegenständen zu untersagen. Diese Auflage ist zum Einen an eine konkrete Gefahrenprognose gebunden. Zum Anderen ist sie aber vollkommen unverhältnismäßig, da kein*e Demoanmelder*in jemals für ihre Erfüllung sorgen kann. Anmelder*innen fehlt schlichtweg die rechtliche Befugnis wie auch die nötigen Mittel, um alle Teilnehmer*innen einer Veranstaltung auf solche Gegenstände zu kontrollieren. Eine rechtliche Bewertung des vorliegenden Falles müsste sich also auch mit der Umsetzbarkeit von erteilten Auflagen überhaupt beschäftigen. Folgerichtig müsste das Gericht solchen Auflagen eine klare Absage erteilen und die Polizei damit in ihre Schranken weisen.
Eine solch grundsätzliche Erwägung wollte die Richterin leider nicht treffen. In ihrem Urteilsspruch ging sie sehr weit auf die Argumente der Verteidigung zu. Tatsächlich sprach sie davon, dass es Anmelder*innen einer Demonstration gegen ein Polizeigesetz auch zugebilligt werden müsse, der Polizei gegenüber abgeneigt und folglich wenig kooperativ zu sein. Sie könne im vorliegenden Fall nur einige Beamten erkennen, die sich schlecht behandelt fühlten. Nicht jedoch eine über drei Jahre
hinweg zu verfolgenden Straftat. Über Auflagen im allgemeinen wolle sie jedoch nicht urteilen, auch wenn der Meinung des Gerichts nach einige Zweifel an der Rechtmäßigkeit angebracht seien.
Das Urteil ist ein wichtiger Erfolg im Kampf gegen die neuen Polizeigesetze, der für uns noch lange nicht gegessen ist. Anderswo kam es ja ebenfalls zu Schikanen, wie etwa bei einer Demonstration in NRW, wo ein Anmelder jüngst als unzuverlässig abgelehnt worden ist.