Bericht vom Prozess gegen die Putzi-Besetzer*innen Opossum und Koala

Am 18.05.2020 fand am Dresdner Amtsgericht im Raum 114 der erste Prozesstag gegen zwei der Putzi-Besetzer*innen statt. Vorgeworfen wird den beiden Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung.

Vor dem Gericht fand eine Soli-Kundgebung statt. Viele Menschen waren unter anderem in Tierkostümen vor dem Gericht und zeigten ihre Solidarität mit den Beschuldigten. Die Hausbesetzung auf der Königsbrückerstraße 12 bis 16 im Januar 2020 hat auch in der Presse für viel Wirbel gesorgt und einige Pressevertreter*innen zu der Verhandlung gezogen. Um so beachtlicher ist es, dass das Gericht einen Raum zur Verfügung stellte, in dem 14 Zuschauer*innen Platz hatten. Eine Anfrage des Rechtsanwaltes, in einen größeren Raum zu wechseln wurde abgelehnt.

Der Prozess begann 14 Uhr. Richter Fiedler gab sich von Anfang an recht redselig und „interessiert“ an den Inhalten der Besetzenden, aber auch an deren erlernten Berufen. Warum diese Information wichtig sei, begründete Richter Fiedler damit, dass er mit „studierten Leuten eben anders rede als mit Arbeitslosen“ und lässt somit tief blicken.

Die Beschuldigten verlasen nach der Verlesung der Anklageschrift durch den Staatsanwalt Thürmer ein mehrseitiges Schreiben. In diesem gingen sie auf die Gründe ihrer Besetzung, die geschichtliche Entwicklung der Neustadt und der Gebäude auf der Königsbrückerstraße 12 bis 16, den Wohn- und Kulturverhältnissen in dem Viertel, den steigenden Mieten und dem Verdrängungsmechanismen der Stadt Dresden ein.

Nach dem auch das Konzept der Besetzer*innen vorgelesen wurde, stellte die Verteidigung die Anklage durch die Argenta Internationale Anlage GmbH an sich in Frage. Ein Hausfriedensbruch sei ein absolutes Antragsdelikt. D.h., dass ohne einen Strafantrag durch die Geschädigten die Straftaten nicht verfolgt werden dürfen. Ein Strafantrag liegt in dem Putzi-Fall vor, eben von der Argenta Internationale Anlage GmbH. In welchem ganz genauen Eigentums- oder Besitzverhältnis diese zu den Gebäuden steht, ist jedoch unklar. Denn es gibt da noch die Dental-Kosmetik GmbH & Co. KG bei denen das Hausrecht liegt und die eine Strafverfolgung gegen die Besetzer*innen gegenüber der Polizei ablehnte. Dies äußerte eine Sprecherin gegenüber der Presse schon einmal im Juni 2019 bei einer Scheinbesetzung während der BRN. Wenn also die Eigentümer, welche die tatsächlich Geschädigten sind, kein Interesse an der Strafverfolgung haben, kann es auch keine geben. In der Anklageschrift im Abschnitt zum Vorwurf der Sachbeschädigung, benennt die Argenta Gruppe selbst die Dental-Kosmetik GmbH & Co. KG als Eigentümerin. Ein Blick auf die Webseiten der Firmen schafft leider auch nicht mehr Klarheit.

Staatsanwalt Thürmer plädiert darauf, dass es keine Rolle spiele wer Eigentümer*in ist und wer Haus- oder Verwaltungsrecht hätte. Denn Felix Lukasch (Mitglied der Geschäftsführung der Argenta Gruppe und Strafantragsteller) könnte auch mündlich bevollmächtigt gewesen sein. Selbst eine Anstellung in der Firma reicht dem Staatsanwalt aus, eine Vollmacht zu erkennen.

Als nächstes wurde der einzige Zeuge im ersten Prozesstag angehört: Polizeimeister Strebe. Der Polizist beschreibt den Verlauf der Besetzung aus seiner Sicht und erklärt dabei, dass die Polizei Dresden die Besetzung bemerkt, die Eigentümer*innen kontaktiert und nach einer Strafanzeige gefragt habe. Er erklärt, dass die Polizei versucht hätte Kontakt mit den Besetzer*innen aufzunehmen, bspw. über politische Vertreter*innen wie Ortsamtsleiter Andrè Barth. Diese wollten jedoch mit einem Anwalt sprechen. Dieser befand sich auch vor Ort. Die Polizei entschied jedoch den Anwalt nicht in das Gebäude zu lassen, da dieses einsturzgefährdet und baufällig sei. Die Verteidigung weist PM Strebe darauf hin, dass die Polizei Sachsen am Tag der Räumung einen Twitterpost absetzte in dem sie selbst schrieb, dass die Feuerwehr Dresden vor Ort war und keine Gefahr für Leib und Leben erkennen konnte und somit die Argumentation der „Baufälligkeit“ nicht gewährt ist.

Nach der Zeugenbefragung erklärte Richter Fiedler, dass er prinzipiell das Anliegen der Besetzer*innen verstünde und auch gut fände. Er hätte die Idee mit den Tierkostümen sehr lustig und das friedliche, gewaltfreie Auftreten der Besetzenden gut gefunden. Außerdem würden hier „Jugendliche zeigen, dass sie gar nicht so politikverdrossen sind, wie immer behauptet wird“. Warum eine politische Aktion, mit einem umfassenden verschriftlichten Konzept, großer Pressearbeit und -resonanz als etwas Lustiges von Jugendlichen verniedlicht und damit aller Ernsthaftigkeit beraubt wird, weiß nur der Richter selbst.

Der Richter sagte auch, dass er den Eindruck hat, dass die Polizei „ein bisschen mehr Nachdruck als nötig“ ausgeübt habe, um die vermeintlichen Eigentümer zu einer Strafanzeige zu bewegen. Er betonte gegenüber dem Staatsanwalt Thürmer, dass nicht alles was strafbar ist auch strafwürdig sei und schlägt eine Einigung für eine Einstellung vor. Diese lehnt die Staatsanwaltschaft jedoch vehement ab. Woraufhin die Verteidigung mehrere Beweisanträge für die Fortführung des Verfahrens stellt: Einblick in das Grundbuchamt, Auszüge aus den Handelsregister, Verlesen des Impressums und der Homepageeinträge der Firmen um die Besitzverhältnisse für die Gebäude auf der Königsbrückerstraße 12 bis 16 zu klären. Des weiteren stellt das Amtsgericht Dresden eine schriftliche Nachfrage bei Dr. Helmut Röschinger (Geschäftsführender Gesellschafter der Argenta Gruppe), ob Felix Lukasch vor bzw. am 20.01.2020 bevollmächtigt war als gesetzlicher Vertreter für die Argenta Gruppe zu handeln und ob diese berechtigt war für das Objekt auf der Königsbrücker Straße zu handeln. Außerdem wird er gefragt, ob es seinerseits ein Interesse an der Strafverfolgung der Besetzer*innen gibt.

Die Verhandlung wird am 27. Mai 2020 fortgesetzt. An dem Termin sollen die neuen Erkenntnisse aus den Beweisanträgen verlesen werden. Der Richter hat den Termin von 12:45 bis 13:15 im Amtsgericht Dresden angesetzt.

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