ein Aufruf des Anarchistischen Netzwerk Dresden
zum Audiobeitrag des AND gehts hier.
Am 22.05 um 9:30 steht ein Aktivist und Freund von uns vor dem  Amtsgericht Dresden. Es wird ihm vorgeworfen eine berittene Polizistin  als Tierquälerin beleidigt zu haben. In einem ersten Strafbefehl wurde  er aufgefordert, aus diesem Grund 400€ zu zahlen. 
Wir möchten zum Prozess zu kreativem Protest einladen. 
Seid widerständig und solidarisch! 
Ein  Polizeipferd muss viel aushalten: im Wind schnalzende  Fahnen,  Luftballons, Rufe, Polizeisirenen und schmerzhafte Gertenhiebe  in die  Seite, zeigen sie zu viel Stress und Unruhe. Selbst Schüsse oder  Feuer  dürfen das arme Tier nicht schrecken.
Diese Wiederstandfähigkeit trainieren die Polizeireiter*innen den Tieren in der Ausbildung an, die bis zu zwei Jahre dauern kann. Die „Ausbildung“ der Pferde umfasst Dressur-, Spring-, Gelände- und sogenannte „Gewöhnungs“arbeit. Dabei werden die Pferde, wie später im Einsatz, mit Situationen konfrontiert, die ihrem natürlichen Verhalten widersprechen. 
Training der Polizeipferde 
Pferde  sind 
Fluchttiere, die instinktiv weglaufen, wenn sie sich erschrecken  oder 
auf andere Art eine Gefahr für sich vermuten. Daher wird versucht,  sie 
im Training möglichst an akustische, optische und Berührungsreize zu  
gewöhnen. So werden beispielsweise Tennisbälle auf die in den Übungen  
bereits angespannten Pferde geworfen, um sie auf künftige Angriffe  
vorzubereiten. Die Dosis des Stresspegels wird kontinuierlich  
gesteigert, bis hin zum Springen über brennende Hindernisse und dem  
Einsatz von explodierenden Feuerwerkskörpern. 
In  dieser Zeit werden
 die Tiere nach den Regeln der „Deutschen  Reiterlichen Vereinigung“ 
(„Richtlinien für das Reiten und Fahren“ –  Band 1, 2, 4 und 6) 
ausgebildet. 
Die Ausbildung für den Polizeieinsatz widerspricht ohne Zweifel einer „artgerechten“ oder auch nur im entferntesten einfühlsamen Behandlung der Tiere, da sie in diesen Situationen zwangsläufig ihr natürliches Verhalten oder generell ihre Bedürfnisse stets unterdrücken müssen. Zumindest äußerlich bleiben Wallache ruhig, „Innerlich sind die Pferde schweißgebadet, aber sie dürfen sich das niemals anmerken lassen“ sagte Hans-Peter Sämann, Chef der Polizeireiterstaffel Stuttgart. Es ist der Polizei durchaus bewusst, dass die Tiere sich schlichtweg durch die Ausbildung und die Einsätze später quälen. Im Training ist das Böllerknallen meist eine der wenigen Momente, in denen die Pferde schwer ihrem Fluchtinstinkt widerstehen können und zurückweichen wollen. Doch durch einige Handflächenschläge auf den Hals oder den Einsatz der Gerte durch den*die Reiter*in werden sie im Zaum gehalten.
Normalerweise werden die Tiere bis zu einem Alter von 18 bis 20 Jahre eingesetzt. Es gibt allerdings auch Ausnahmen: Der Wallach „Zenit“ der Stuttgarter Reiterstaffel ist bereits stolze 30 Jahre alt und absolvierte bis vor kurzem noch kleinere Einsätze. Damit war er das Dienst-älteste Polizeipferd Europas. (2)
Reiter*innenstaffeln
In ganz Deutschland existieren derzeit ein knappes Dutzend Reiterstaffeln mit hunderten Pferden. (1) Und es sollen mehr werden.
Bayerns
  Ministerpräsident Markus Söder (CSU), voll des Lobes für “meine  
Kavallerie”, wie die Reiter*innenstaffel gerne mal nennt, gab erst  
letztes Jahr bekannt, dass jede bayerische Großstadt ihre eigene  
Reiter*innenstaffel bekommen soll. 200 Pferde insgesamt – fünf Mal so  
viel wie zur Zeit. Auch Österreich baut im Sektor der polizeilichen  
Tierausbeutung eher auf statt ab. Insgesamt sind 24 Pferde für Wien  
geplant.
Und  das lassen sie sich durchaus einiges kosten. In 
Hamburg kosten acht  Pferde mit zehn Reiter*innen rund 200.000 Euro pro 
Jahr. (3) 2003 wurden  im Zuge von Sparmaßnahmen alle zehn damals 
bestehenden Reiterstaffeln  in Nordrhein-Westfalen aufgelöst und die 
Pferde verkauft. Ein Hauptmotiv  war die nach Ansicht von 
Wirtschaftsprüfern wenig effektive  Arbeitsweise der Staffeln, da die 
Polizeireiter*innen zu viel Zeit mit  der Pferdepflege verbrächten. 
Diesem Beispiel könnten andere Folgen,  anstatt die Staffeln 
auszubauen. 
Die  Sinnhaftigkeit des Einsatzes von 
Reiter*innenstaffeln überhaupt könnten  wir ebenso in Frage stellen. 
Denn Kontrollen oder gar Festnahmen sind  schwierig. Ein*e Beamte*r 
müsste sich dann um das Pferd des*der  Kollegen*in kümmern, der*die 
absteigen und sich alleine den möglichen  Delinquent*innen annehmen 
müsste. In solchen Fällen bitten die  Reiter*innen ihre Kollegen*innen 
zu Fuß um Unterstützung. 
Risiko für Mensch und Tier
Beim dem Einsatz von Pferden, besonders in engen, unübersichtlichen Situationen, wie bei Demonstrationen und Fußballspielen, sind sowohl die Menschen als auch die Tiere hohen Verletzungsrisiken ausgesetzt.
Menschenmassen, Lärm, vielleicht auch noch Böller oder bengalische Feuer verursachen immensen Stress für die Tiere. Auch wenn sie alle Erfordernisse der harten Ausbildung erfüllt haben, kann im Einsatz nicht ausgeschlossen werden, dass sie in einer brenzligen Situation außer Kontrolle geraten und Menschen niederrennen und/oder sich selbst verletzen. So drückte im Juni 2004 in Hannover ein Polizeipferd während eines Fußballspiels im Rückwärtsgehen eine Scheibe ein und verletzte sich dabei so schwer, dass es eingeschläfert wurde. 2018 erlitt ein Polizei-Pferd einen Herzinfarkt während einer Pegida-Demonstration in den Niederlanden und starb.
Das Verletzungsrisiko für Menschen in einer solchen Situation ist besonders durch die beschlagenen Hufen und Größe beziehungsweise dem Gewicht der Tiere sehr hoch, wie auch Beispiele, zum Teil dokumentierte, immer wieder zeigen. In Hamburg gab es vor einigen Jahren den Fall, dass ein unbeteiligter Zuschauer einer Demonstration von einem erschrockenen Polizeipferd ins Gesicht getreten wurde. (4)
Bei den Protesten gegen einen Neonazi-Aufmarsch am 2. Juni 2012 in Hamburg-Wandsbek ritt die Reiterstaffel in eine Blockade hinein und mehrere Personen wurden durch Pferde verletzt. 2018 wurde bei einer Demonstration in Stockholm eine Journalistin von berittenen Polizeikräften mit vollem Tempo niedergeritten und zu Boden geschleudert. Vor über 90 Jahren gab es bei einem Einsatz berittener Polizei in Wien 89 Tote und hunderte Verletzte. Es gibt unzählige Beispiele.
Unter Jurist*innen und der Polizei werden solche Vorgänge gern als Reitunfall bagatellisiert, obwohl das Pferd eigentlich nur seinem natürlichen Instinkt folgt. Es ist nunmal ein Reflex, vor einer unübersichtlichen Situation zu fliehen. Passieren nun aufgrund diesem natürlichen Verhalten im Einsatz Körperverletzungen, wird es halt als ein Unfall deklariert und abgetan. Doch es ist ein kalkuliertes Risko, es wird durch die Entscheidungsträger*innen und Ausführende hingenommen.
Es steht also außer Frage, dass Pferde für Demos und ähnliches nicht herangezogen werden dürfen, dass Tiere generell nicht in solche unfreiwilligen Berufe gehören, ebenso wie Polizeihunde oder Tiere beim Militär. Da hilft es auch nicht, dass die Reiter*innen von der Polizei immer lamentieren, sie sehen die Tiere als „Kolleg*innen“ und schätzen sie daher ungemein, besuchen sie sogar nachdem sie nicht mehr eingesetzt werden auf Lebenshöfen. Die Pferde wählen dieses Schicksal des Polizeidienstes nicht für sich, daher ist es eine Farce, sie als Kolleg*innen zu bezeichnen, als hätten sie eine Wahl und sich bewusst dafür entschieden. Hätten sie die, wäre es mit Sicherheit ein anderes Leben als dieses!
Warum gibt es Pferdestaffeln überhaupt noch?
Wieso gibt es also nicht mehr Aufschrei gegen deren Einsatz? Warum werden Pferdestaffeln nicht einfach abgeschafft
Einer
  der Hauptgründe ist wohl schlichtweg Prestige für die jeweilige  
Standort, die Polizeidirektion. Pferde dienen der Imagepflege, markieren
  wirkungsvoll Präsenz. Denn wird Kritik laut, betont die Polizei stets 
 die Außenwirkung der berittenen Einsatzkräfte. Polizist*innen auf  
Pferden seien weithin sichtbar und machen Eindruck. Die Reiter*innen  
haben auf dem Rücken der Pferde einen besseren Überblick über das  
Geschehen und können dadurch ein größeres Gebiet überwachen.  
Demonstrierende wären ruhiger, wenn Pferde in prenzlige Situationen  
gebracht werden.
Ich  denke ja, diese Wirkung liegt eher daran, 
dass die Menschen die stolzen  und schönen Tiere, mit denen sie 
mitfühlen, nicht verletzen oder noch  mehr verängstigen wollen. Der 
Einsatz der Tiere erhöht die Hemmschwelle  für Gewaltanwendung. Aber wir
 alle denken in diesen Momenten doch nur,  was das für Tierquäler*innen 
sind, die die armen Wesen bewusst und  gezielt in solch eine qualvoll 
stressige Situation bringen.
Und nun steht bald ein Mensch für den Ausspruch einer solchen Meinung in Dresden vor Gericht.
Eine
  Meinung,  die uns allen auf der Zunge liegt, beziehungsweise wir  
bereits unzählige Male ausgesprochen haben. Doch diese eine  
Polizistin*dieser Polizist fühlte sich ganz persönlich verletzt und  
angegriffen und zeigte so den Vorfall an. 
Es  ist vorprogrammiertes,
 einkalkuliertes Tierleid durch das Training und  den erheblichen Stress
 beim Einsatz. Pferde sind sensible Tiere, keine  Maschinen oder 
Fortbewegungsmittel. In Gefahrensituationen sind ihre  Reaktionen, wie 
wir gehört haben,unberechenbar. Das muss ein Ende finden  und es muss 
außer Frage stehen, die eigene Meinung über solche Einsätze  kund zu 
tun. Es ist das Mindeste, was die Polizei ertragen sollte in  diesem 
Zusammenhang.
Was ist das für ein Fall?
Am 22.05 um 9:30 steht ein Aktivist und Freund von uns vor dem Amtsgericht Dresden. Es wird ihm vorgeworfen ein*e Polizist*innen beleidigt zu haben. In einem ersten Strafbefehl wurde er aufgefordert aus diesem Grund 400€ zu zahlen.
Was war passiert?
Am 25.08 rief die „Identitäre Bewegung“ zu einem Kongress auf der „Cockerwiese“ in Dresden auf. Europaweit mobilisierten die Neofaschist*innen zu Vernetzung, Workshops und Bockwurst. Viele Menschen wollten dies nicht unwidersprochen lassen.
Unter ihnen war auch unser Mitstreiter, welcher sich entschied, mit vielen anderen Antifaschist*innen direkt am Gelände seinen Protest zu äußern. Im Zuge des Polizeieinsatzes der an diesem Tag stattfand wurde von der Polizei Reiterstaffeln eingesetzt. Dem Aktivisten wird nun vorgeworfen eine der berittenen Polizist*innen als „Tierquäler*in beleidigt“ zu haben.
(Es ist eine wiederkehrende Debatte: Nicht wenige Tierschützer*innen und Menschen aus der Tierbefreier*innenbewegung fordern, Reiten gänzlich einzustellen. Würde mensch also eine*n beliebige Reiter*in auf der Straße „Tierquäler*in“ entgegenrufen, könnte dies wohl kaum als Beleidigung aufgefasst werden. Nicht aus der zwischenmenschlichen Sichtweise, erst recht nicht juristisch. Es würde als das aufgefasst werden, was es ist: Ein Meinungsbeitrag in einer Debatte zur Behandlung von Tieren. Es würde darauf hinweisen, dass der Mensch, der die Äußerung getätigt hat, das Reiten mit Zaumzeug, Gerten und Schläge zum Kontrollieren des Tieres oder ganz prinzipiell schon das “Nutzen” des Tieres als Fortbewegungsmittel als Tierquälerei auffasst.Unabhängig davon, ob der Aktivist den*die Polizist*in im Herbst letzten Jahres tatsächlich mit dem Wort „Tierquäler*in“ belegt hat, zeigt sich hier mal wieder eine erstaunliche Asymetrie zwischen den Gesetzen, die für Menschen mit und jenen, die für Menschen ohne Uniform gelten.)
Von der Polizei werden Beleidigungsverfahren als Bagatelle behandelt – aufwändige Ermittlungen werden in der Regel nicht durchgeführt, Zeugenvernehmungen sind eher die Ausnahme. Nicht selten werden Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung eingestellt, häufig wegen sogenannter “Geringfügigkeit”. Für den*die jeweilige*n Beschuldigte*n sicherlich die schlechteste Variante ist der Antrag des Amtsanwaltes auf Erlass eines Strafbefehls. Praktisch geschieht dies meistens bei Beleidigungen im Straßenverkehr und natürlich bei, ihr ahnt es: Beleidigungen von Polizeibeamt*innen und anderen Amtsträger*innen. In dieser Praxis der Justiz zeigen sich die Ungleichbehandlung von Menschen vor dem Gesetz.
Fakt ist also: Besonders streng verfolgt werden Beleidigungen gegenüber Polizist*innen. Da sie die Staatsgewalt verkörpern bedeutet dies, dass mensch gleichzeitig den Staat beleidigt.Alleine, wer im Eifer der Auseinandersetzung eine*n Ordnungshüter*in duzt, zahlt dafür schon mal 600 Euro. (5) Ja, theoretisch gilt auch das In der Rechtssprechung als Beleidigung, fühlt sich der*die Beamte*in davon in seiner*ihrer „Ehre angegriffen“. Der Einzelfall entscheidet dann, zum Beispiel danach, ob der*die Angeklagte sich in seinem*ihren bisherigen Leben bereits rebellisch und widerständig zeigte.
Die  Ziele von Repression liegen auf der Hand: Durch  massives, gewaltsames und autoritäres Auftreten soll eine  Einschüchterung erzielt werden. 
Angstmechanismen der Menschen werden wach gerufen. – Angst vor Schmerzen, Angst vor finanziellen Konsequenzen, Eintragungen im polizeilichen Führungszeugnis oder Druck durch das soziale Umfeld. Doch wir erkennen dieses perfide Vorhaben, als das was es ist. Denn Angst erfüllt seinen Zweck, sie ist ein konkretes Ziel von Repression: Menschen kämpfen unter ihrem Druck nicht mehr gegen Staatsorgane, Institutionen, Regeln und Gesetze, sondern immer stärker mit sich selbst.
So lasst uns zusammen dagegen wirken, um Repression anzugreifen, zu demaskieren oder auch lächerlich zu machen. Unser Ziel ist es, offensive Strategien gegen Repression aller Art zu entwickeln, Mut zu machen, sich dieser immer wieder subversiv und kreativ entgegen zu stellen und eigene Ideen zu entwickeln. Und dazu möchten wir euch einladen, bei diesem Prozess heute vor dem Dresdner Amtsgericht und jedem anderen, der auf uns zukommt.
Solidarität!