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Manche Menschen gehen mit einem lauten Knall, andere verpissen sich still und leise. So viele Schlagzeilen Günther in den Jahrzehnten seiner Inhaftierung auch machte, sein Abgang aus dem Leben war von der sehr stillen Sorte.
Finni und sein Freiheitsdrang
Im Mai 1995 machten er und sein Freund und Mitgefangener Peter S. bundesweit Schlagzeilen. Sie beide saßen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Celle, nahmen einen Beamten als Geisel und fuhren einem Porsche durchs das Tor der Haftanstalt in die dann nur kurz währende Freiheit. Nach nur 51 Stunden wurden sie von einem Sondereinsatzkommando festgenommen.
Nach dem Prozess wurde es still um Günther, er verschwand in den dunklen Isolationstrakten Niedersachsens. Rund 16 Jahre sollte die Isolation andauern, erst nachdem Kai Schlieter von der taz in einem ausführlichen Artikel („Lebendig begraben“) über die seit der Geiselnahme andauernde Isolierung von Günther, wie auch seinem Freund Peter, ausführlich berichtete, lockerte die niedersächsische Justizverwaltung die Isolierung. Zuvor hatten Wissenschaftler und Politiker die lange Isolierung als Folter bezeichnet.
Vor 12 Jahren berichtete die taz über Finneisens Freilassung, und seine Versuche in Berlin Fuß zu fassen. Die Freiheit sollte nicht lange währen, denn nach einem weiteren Strafprozess wurde Finni, wie er genannt werden wollte, wegen „Verabredung“ zu einer Straftat zu einer eher kurzen Haftstrafe, aber auch zur Unterbringung in der Sicherungsverwahrung verurteilt. Weit über 40 Jahre war er in deutschen Gefängnissen eingesperrt gewesen.
Finni der Künstler
In seinen letzten Jahren wurden seine Zeichnungen, die er seit Jahrzehnten während der Haft fertigte, immer wieder ausgestellt. „Der Delinquent im Einweckglas“, so überschrieb das Neue Deutschland einen Artikel vor vier Jahren. Das Deutsche Hygienemuseum hatte Finnis Zeichnung, von einem Gefangenen im Einweckglas im Rahmen einer Ausstellung über Gefängnisse präsentiert. Der Delinquent, abgesondert von der Umwelt, in der kalten, luftleeren, sterilen Atmosphäre eines Einweckglases, auf Dauer konserviert und isoliert.
Im Sommer 2022 gab es im Wahlkreisbüro von Hendrikje Klein (Linke), einer Berliner Abgeordnete des Abgeordnetenhauses eine ganze Ausstellung mit Zeichnungen von Finni. „Eine Vernissage ohne Künstler, weil der schon wieder im Gefängnis sitzt“, schrieb damals die Berliner Zeitung. „Minimalistisch, teilweise verstörend“ nannte der Tagesspiegel seine Zeichnungen.
Viele seiner Zeichnungen sind noch nicht veröffentlicht, vielleicht wird es in den kommenden Jahren eine Auswahl davon in gedruckter Form geben.
Finni und seine Gesundheit
Er saß im Berliner Vollzug der Sicherungsverwahrung, als er davon schrieb umgefallen zu sein, teilweise mit Lähmungserscheinungen. So wie er berichtete, habe das ärztliche Personal auf einen möglichen Herzinfarkt geschlossen, auch wenn sich alles eher wie ein Schlaganfall darstellte. Eine Begutachtung ergab schließlich, er sei ein Pflegefall und könne aus der Haftanstalt entlassen werden. Seine HIV-Infektion, die er sich in Haft zugezogen hatte, belastete ihn gesundheitlich zusehends.
Kein Wort und auch keine Zeichnungen mehr von Finni
Manche von uns wunderten sich, dass er nach seiner Entlassung nichts von sich hören ließ. Erst jetzt erfuhren wir, er ist am 03. Mai 2023, nur wenige Wochen nach seiner Freilassung, gestorben und wurde in Berliner Stadtteil Alt-Hohenschönhausen auf dem St. Hedwig-Friedhof beerdigt.
Trauer, Wut, eine gewisse Leere, ganz verschiedene Gefühle tauchen auf. Ein Leben hinter Gefängnismauern ist zwar außerhalb des Knastes zu ende gegangen, aber auf welche Weise. Todkrank, begleitet von Mitarbeiter:innen der Pflegeeinrichtung und einem Sozialarbeiter der Haftanstalt. Konnte er sich bei niemandem von uns mehr melden? Wollte er es nicht?