Aufruf der Solidaritätsgruppe „01november“
Für die Einstellung der Verfahren gegen Anitfaschist_innen im Kontext der NPD-Brandstiftertour 2012
Kundgebung: Landgericht Dresden, Sachsenplatz
1. November 2017, 16.00 Uhr
Die NPD macht auf ihrer Brandstiftertour gegen “Asylmissbrauch und Islamisierung” mit zwei Kundgebungen in Dresden Station. An beiden Orten bleibt die NPD-Landtagsfraktion unter sich und wird von lautstarkem Gegenprotest übertönt. Damals war die extreme Rechte im Landtag noch ein Skandal und offener Rassismus gesellschaftlich verpönt.
Auf der Fahrt von ihrer ersten Kundgebung vor einer Moschee in Cotta zu einer Unterkunft für Asylsuchende in Johannstadt versuchten Aktivist_innen den Konvoi zu stoppen. Als diese sich der NPD in den Weg stellten, versuchten die Fahrer der NPD die Antifas gezielt anzufahren. Daraufhin wurden zwei ihrer Fahrzeuge beschädigt. Im Anschluss bewaffneten sich die Nazis mit Schlagwerkzeugen und griffen die zurückweichenden Antifaschist_innen an. Auf eine am Boden liegende Person wurde so lange eingetreten, dass sie anschließend im Krankenhaus behandelt werden musste.
Währenddessen stieß die Polizei zu der Auseinandersetzung hinzu. In bester sächsischer Tradition begann sie, Jagd auf die Protestierenden zu machen, während die Nazis in aller Ruhe ihre Waffen verstecken und die festgesetzten Antifas abfotografieren konnten. Von insgesamt 30 mutmaßlichen Linken wurden Personalien aufgenommen und 15 von ihnen mussten in Handfesseln anderthalb Kilometer bis zur Polizeiwache laufen, wo sie teilweise erkennungsdienstlich behandelt wurden. Die NPD-Schläger konnten unterdessen ihre Hetze vor dem Asylbewerber_innenheim verbreiten. Aus gemachten Aussagen von Neonazis geht eindeutig hervor, dass von ihnen der bewaffnete Angriff ausging. Der sogenannte “Sicherheitsdienst” der NPD setzte sich größtenteils aus vorbestraften Gewalttätern zusammen, die bereits am Vortag bei einer anderen Kundgebung Gegendemonstrant_innen mit Schlagstöcken angriffen.
Nichtsdestotrotz wurde fünf Jahre lang ausschließlich gegen die Nazigegner_innen ermittelt, sieben von ihnen soll nun der Prozess gemacht werden.
Offener Rassismus wird wieder salonfähig
In der Zwischenzeit mussten wir einer Entwicklung zusehen, in der offener, v.a. antimuslimischer Rassismus und rechte Gewalt nicht nur jahrelang alarmierend anstiegen, sondern auch immer mehr Zustimmung in breiten Bevölkerungsteilen fanden. Einige Stationen der Eskalation sollen hier nur schlagwortartig genannt werden: Die Formierung eines rassistischen Mobs in Schneeberg 2013, zehntausende Teilnehmer_innen bei Pegida in Dresden seit Ende 2014 , zahlreiche Demonstrationen und Übergriffe bis zu rechtem Straßenterror in Freital sowie tagelange Ausschreitungen in Heidenau 2015, und schließlich die applaudierenden Anwohner_innen für eine abgebrannte geplante Asylunterkunft in Bautzen und der Sprengstoffanschlag auf die bereits erwähnte Cottaer Moschee 2016 .
Dies ist die Situation in Sachsen fünf Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU am 3. November 2012. Die Ursache ist unter anderem in der Reaktion der seit 27 Jahren ununterbrochen regierenden sächsischen CDU und ihrer lokalen Behörden auf rechte Gewalt zu suchen. In der Debatte um die Selbstenttarnung des NSU drückte Innenminister Ulbig ihre Haltung offen aus: Auf Rechtsextremismus sei “Antifaschismus nicht die richtige Anwort, sondern Demokratie, Auseinandersetzung aus der Mitte unserer Gesellschaft heraus”. Diese “Auseinandersetzung” besteht aus einem Kleinreden neonazistischer Strukturen, der Verschleppung von Ermittlungsverfahren gegen Nazis, sowie der Übernahme rassistischer Positionen . Unbeirrt hält sie an ihrem alten Motto fest: “Links draufhauen, die Rechte Flanke schließen”. Die rassistische Stimmung wird als „Ängste und Sorgen“ sogenannter „besorgter Bürger“ verharmlost und in immer neue Asylrechtsverschärfungen umgesetzt.
Nicht zuletzt wird seit Jahren jedes linke Engagement gegen diese Entwicklung schikaniert, kriminalisiert und als „Linksextremismus“ diffamiert. Die jahrelangen ergebnislosen Ermittlungsverfahren gegen eine imaginierte Antifasportgruppe mit dem Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König als Anführer, die kassierte Gefängnisstrafe für Tim wegen der Beteiligung an den Protesten gegen die Naziaufmärsche am 19. Februar 2011 sowie hunderte Ermittlungsverfahren gegen Blockierer, wie auch das skandalöse Regenschirmurteil gegen den NoPegida-Aktivisten Oli sind dabei nur die Spitze des Eisbergs.
Sachsen, 24. September 2017: Bei der Bundestagswahl wird die AfD in Sachsen mit 27 Prozent der abgegebenen Stimmen zur stärksten Partei gewählt. Weder die rassistischen Ausfälle ihrer Kandidat_innen noch die positiven Bezüge auf Nazideutschland ließen die Zustimmungswerte der AfD sinken. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass die Partei genau dafür gewählt wurde.
Es ist ein Skandal, dass nun fünf Jahre nach der Auseinandersetzung die Antifaschist_innen dafür vor Gericht gestellt werden, dass sie sich bereits damals der rassistischen Stimmungsmache und den rechten Schlägern in den Weg stellten. Den sieben Angeklagten wird unter anderem schwere Körperverletzung und schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen. Vorerst sind elf Prozesstage angesetzt, an denen die beteiligten Neonazis als Hauptbelastungszeugen aussagen werden.
Wir werden den Prozess begleiten und die Betroffenen unterstützen. Kommt am 5. Jahrestag der NPD-Brandstiftertour zur Kundgebung an den Ort des Vorfalls, besucht den Prozess und zeigt euch solidarisch mit den Angeklagten.
Es bleibt dabei:
Antifaschismus ist die richtige Antwort!