Vor wenigen Tagen ist es zu einem massiven Übergriff auf einen Tatverdächtigen in der Untersuchungshaftanstalt der baden-württembergischen Justizvollzugsanstalt Freiburg gekommen. Heute die näheren Details.
Die Vorgeschichte
Seit einigen Monaten suchte eine Sonderkommission der Freiburger Polizei nach einem Tatverdächtigen, der in einer kleinen Stadt, unweit von Freiburg, am Kaiserstuhl gelegenen Endingen, eine junge Frau vergewaltigt und ermordet hatte (http://www.badische-zeitung.de/endingen/spur-4334-so-kam-die-polizei-dem-mutmasslichen-moerder-von-carolin-g-auf-die-schliche—137714192.html).
Nachdem kurz vor Pfingsten ein Tatverdächtiger verhaftet worden war,ein aus Rumänien stammender Fernfahrer, kam dieser erst in den Freiburger Polizeigewahrsam und danach in eine Zugangsabteilung der JVA Freiburg. Die lokalen und auch die überregionalen Medien berichteten ausführlich, teilweise in Live-Schaltungen.
Der Angriff am Mittwoch, dem 07.Juni 2017
Am 7. Juni 2017 ist es dann im Bereich der Untersuchungshaftanstalt zu dem Übergriff gekommen. Der Betreffende ist während der Zeit des allgemeinen Hofgangs, am Nachmittag, in die U-Haft Anstalt und dann auf die Station der ‚Tennenbacher-Alt‘ gelangt, als er kurz nach seiner Ankunft von anderen Gefangenen getreten und geschlagen wurde. Unter anderem sei ihm das Jochbein, Rippen und Finger gebrochen worden. Ferner habe er zudem einige Zähne ausgeschlagen bekommen, bevor Personal eingegriffen habe. Mit einem Flachbildfernseher sei er zudem auf den Kopf geprügelt worden.
Weitere Entwicklungen
Am 9. Juni 2017 durften die Untersuchungsgefangenen der erwähnten ‚Tennenbacher-Alt‘, welche ansonsten in Arbeitsbetrieben der Arbeit nachgehen, nicht ausrücken. D.h. die Gefangenen blieben unter Verschluss. Zudem war schon am Tag zuvor, die Kriminalpolizei im Hause und nahm die Ermittlungen auf. Diverse Untersuchungsgefangene meldeten sich als Zeugen, für die am 9. Juni angesetzten polizeilichen Vernehmungen.
Bewertung und Ausblick
Zuvor muss man nach der Mitverantwortung des Justizbetriebs, insbesondere der Staatsanwaltschaft Freiburg, des Haftrichters, bzw. der Haftrichterin und auch des juristischen Leiters der U-Haftanstalt,Oberregierungsrat R. fragen. Wurden von diesen die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen angeordnet? Wenn nein: warum nicht? Falls Oberregierungsrat R. oder andere Justizbehörden dennoch entsprechende Maßnahmen verfügt haben sollten, weshalb wurden diese nicht befolgt oder waren sie schlicht unzureichend? Denn angesichts der breiten medialen Berichterstattung war ein solcher Angriff auf den Tatverdächtigen keineswegs unwahrscheinlich. Alles andere zu behaupten, wäre scheinheilig.
So machte vor nicht allzu langer Zeit ein vergleichbarer Fall aus dem ebenfalls baden-württembergischen Ravensburg Schlagzeilen, als ein 22-jähriger Untersuchungsgefangener einem wegen Mordes zum Nachteil seiner Frau und Kinder Einsitzenden Familienvaters auf das heftigste attackierte. Für diesen Angriff wurde vor einigen Wochen der Täter zu einer mehrjährigen Haftstrafe mit anschließender Unterbringung in der Sicherungsverwahrung verurteilt. Der von ihm attackierte Familienvater hatte sich einige Zeit nach dem dem Angriff selbst das Leben genommen.
Ob in dem Freiburger Fall der Rechtsanwalt des Tatverdächtigen weitere Schritte gegen das Anstaltspersonal einleiten wird, bleibt abzuwarten.
Aber wie steht es um die ethisch-moralische Seite solch eines Übergriffs. Die Vergewaltigung einer jungen Frau, dazu noch deren Ermordung lässt keinen Menschen kalt; im Gegenteil! Solch ein Verbrechen lässt Rachewünsche aufkommen, den Wunsch, es dem Täter so richtig heimzuzahlen. Sodann sucht man sich als Objekt, an welchem die eigene Wut, der Hass ausagiert und vollstreckt werden kann, den Körper des Täters (vorliegend muss man vom ‚mutmaßlichen Täter‘ sprechen, schließlich ist er der Tat beschuldigt, noch nicht dafür verurteilt). Dessen Körper muss Schmerzen erleiden, deformiert, verletzt und beschädigt werden, als – scheinbaren- Ausgleich für dessen Untaten.
Es liegt auf der Hand; kein Rippenbruch, kein Jochbeinbruch, kein ausgeschlagener Zahn, wird jemals das Leid der jungen Frau, ihrer Angehörigen und ihrer FreundInnen aufwiegen können. Auch wird es die Frau nicht zum Leben erwecken. So stellt der Vorfall in aller Schärfe die Frage nach dem Umgang mit Menschen die andere vergewaltigt oder getötet haben! Was ist die angemessene Form des Umgangs? Die mittelalterliche Marter? Die Todesstrafe? Wirft man den Täter/Tatverdächtigen der heulenden Meute zum Fraß vor und überlässt ihr die Vollstreckung der Strafe?
Im Bereich der Freiburger Sicherungsverwahrung, welche über eine direkte Sichtverbindung zu jenem Trakt verfügt in welchem der Übergriff erfolgt ist, haben Verwahrte den Angriff verfolgen können. Nun gibt es Sicherungsverwahrte die von eigener Todesangst berichten, da ihnen letztlich auch solche Angriffe drohen könnten und sie sich seitens der Anstalt keinen Schutz erhoffen, nachdem sie gesehen haben, wie mit dem Tatverdächtigen in jenem Mordfall umgegangen wurde.
Aber bei all diesen Überlegungen tritt ein Mensch nahezu vollständig aus dem Blick: die junge Frau aus Endingen.
Und immer wieder erinnert deshalb das Schicksal jener Frau an diese eine Frage: wie geht die Gesellschaft, wie gehen wir mit Männern um, die Frauen vergewaltigen und ermorden?
Thomas Meyer-Falk, z.Zt. Justizvollzugsanstalt (SV),
Hermann-Herder-Str.8, 79104 Freiburg