Gesundheit, Verletzungen und solidarische Selbsthilfe

Oft sagen wir uns, dass auf Aktionen sowieso nichts passieren wird und haben damit auch noch recht. Dennoch ist es gut, im Zweifelsfall gerüstet zu sein.

Vor der Demo

Sei ausgeschlafen und körperlich fit, wenn du auf eine Demonstration gehen willst. Mäßige dich beim Feiern am Abend davor und frühstücke gut.

Wähle deine Klamotten nach praktischen Erwägungen statt nach modischen Trends: nach Witterung, Beweglichkeit, Unauffälligkeit und Schutz besonders empfindlicher Körperteile. Verzichte auf Schmuck, vor allem auf große Ohrringe und lange Ketten. Damit könnten andere, aber vor allem du selber verletzt werden. Demos sind keine Spaziergänge, nicht nur dass sie ganz schön lange dauern können, manchmal ist es auch erforderlich, schnell und beweglich zu sein. Trage deshalb keine Latschen oder Stöckelschuhe, deine Füße werden es dir danken.

Trage keine Cremes, Schminke oder Lippenpflegesticks auf, da sich das Pfefferspray und das Tränengas in diesen Fetten anreichert. Überlege dir, statt der Kontaktlinsen eine bruchsichere Brille aufzusetzen. Bei Tränengaseinsätzen sind Kontaktlinsen mehr als unpraktisch und nach Kontakt mit dem Tränengas meist auch nicht mehr zu gebrauchen. Denke im Sommer auch an Sonnenschutz, verzichte dabei aber lieber auf Sonnencremes. Lange Klamotten stattdessen schützen deine Haut nicht nur vor Sonnenbrand, sondern auch vor Tränengas.

Nimm genügend Wasser zum Trinken und Augenausspülen sowie eine Kleinigkeit zum Essen mit. Eine Sitzblockade oder ein Polizeikessel könnte auch bei Minusgraden oder brütender Hitze einige Stunden andauern. Müsliriegel oder andere Snacks, die deinen kurzfristigen Energiebedarf decken, sind dann gut geeignet. Auch ein kleines Erste-Hilfe-Päckchen könnte nützlich sein. Nimm deine Krankenkassenkarte mit.

Um dir selbst und anderen solidarisch zu helfen, frische deine Kenntnisse in Erster Hilfe auf oder erwirb spezifisches Erste-Hilfe-Wissen in einer Demosani-Schulung.

Es kann sein, dass du in Gewahrsam kommst. Habe deshalb die Medikamente, die du regelmäßig oder in Stresssituationen brauchst, mindestens im Umfang für die nächsten 24 Stunden dabei. Denke bei Bedarf auch an ausreichend Tampons.

Nicht nur der Konsum von Alkohol und Drogen ist vor, bei politischen Veranstaltungen und auf dem Rückweg nicht ratsam. Auch spezielle Medikamente, die dein Reaktions- und Wahrnehmungsvermögen mindern, gefährden dich und andere unnötig. Deshalb pausiere im Falle einer Krankheit lieber.

Auf der Demo

Achtet aufeinander. Bei Übergriffen verfallt nicht in Panik. Tief Luft holen, stehen bleiben und auch die anderen dazu auffordern. Lauft ihr noch nicht in Ketten, heißt es spätestens jetzt schnell einhaken. Oftmals können so Übergriffe abgewehrt und das Spalten der Demo, Festnahmen sowie das Liegenbleiben von Verletzten verhindert werden. Wenn es nicht anders geht, könnt ihr euch auch so langsam und geschlossen zurück ziehen.

Ist jemand in deiner Nähe verletzt worden, schützt ihn*sie und die Demosanitäter*innen, wenn welche da sind. Bildet dazu einen Kreis um sie herum.

Wenn du weißt, dass Demosanis vor Ort sind, dann wende dich zwecks Unterstützung an sie. Das geht am besten über den Lauti. Bedenke dabei, dass diese eine medizinische Erstversorgung machen, also kein Ersatz für professionelle Rettungsdienste sind. Bei allen Situationen, die lebensbedrohlich erscheinen, wenn Verletzte zum Beispiel nicht mehr ansprechbar sind, rufe sofort die 112 und lasse einen Krankenwagen kommen.

Gibt es keine Demo-Sanitäter*innen, organisiert gemeinsam die Erstversorgung und den Abtransport der Verletzten. Ruft euch Unterstützung. Lasst die Verletzten nicht allein. Begleitet sie gegebenenfalls nach Hause, ins Krankenhaus oder einem geschützen Ort. Könnt ihr sie aus der kritischen Situation nicht rausbringen, schafft ein möglichst ruhiges Umfeld um sie. Wenn es geht, gebt dabei auch Schwerverletzte nicht an die Sanis der Cops weiter, sondern nur an zivile Sanitäter*innen. Ausnahme besteht natürlich bei akuter Lebensbedrohung.

Bist du oder andere durch Tränengas und Pfefferspray verletzt, spült die betroffenen Augen aus. Helft euch dabei gegenseitig. Wechsele so bald wie möglich deine Kleidung.

Im Krankenhaus

Wenn du verletzt mit dem Krankenwagen abtransportiert werden musst, bist du nicht verpflichtet deinen Namen zu nennen.

Wenn du selbstständig in ein Krankenhaus gehst, versuche – wenn genug Zeit ist – eins zu wählen, das etwas entfernt ist und mit der Demo nicht in Verbindung gebracht wird. Bei der Aufnahme brauchst du nicht erklären, wie es zu den Verletzungen gekommen ist. Schon öfter haben Krankenhäuser trotz bestehender Schweigepflicht die Namen von verletzten Demoteilnehmer*innen an die Cops weitergegeben. Bei Schuss- und Stichverletzungen sind sie dazu gesetzlich verpflichtet, ansonsten nicht.

Weise deshalb die behandelnden Ärzt*Innen auf ihre Schweigepflicht hin. Mache ihnen klar, dass sie den Cops gegenüber überhaupt keine Angaben machen dürfen! Ärzt*Innen sind nur dann von ihrer Schweigepflicht entbunden, wenn sie Anzeichen dafür sehen, dass du dir selbst oder anderen Schaden zufügen willst. Wenn Cops im Behandlungsraum anwesend sind, verlange von den Mediziner*Innen, dass sie die Cops rausschicken. Solange du in der Obhut der Mediziner*innen bist, haben die Cops keine Handhabe.

Lass dir deine Verletzungen attestieren und gib dem*der Arzt*Ärztin nur die für die Behandlung notwendigen Information preis.

Auf der Wache

Du hast das Recht auf ärztliche Hilfe, wenn du verletzt bist oder Medikamente brauchst. In der Regel kommt dann ein*e Polizeiärzt*in. Lass dir von ihr*ihm deine Verletzungen attestieren aber rede nicht mit ihm*ihr. Polizeiärzt*innen sind parteiisch. Verschlechtert sich dein Zustand, lass dich nicht mit Schmerzmittel abspeisen, sondern dränge auf eine symptombezogene Untersuchung. Teile deine Verletzungen, wenn möglich, anderen mit, damit sie dich von draußen oder über den EA unterstützen können.

Danach

Bist du verletzt worden, suche so schnell wie möglich eine*n Ärzt*in deines Vertrauens auf, der*die dir deine Verletzungen attestiert und dich weiter versorgt. Mache dies auch, wenn du schon eine ärztliche Versorgung auf der Wache hattest oder denkst, dass die Verletzungen nicht so schlimm sind. Bei späteren Prozessen kann es wichtig werden, auch kleinere Verletzungen nachzuweisen.

Nach Gewalterfahrungen sind sogenannte „posttraumatische Reaktionen“ in den ersten Wochen danach eine mögliche Reaktion der Psyche. Sie äußern sich durch Angstzustände, Flashbacks, Alpträume oder Unruhe. Das ist eine normale Sache und kein Zeichen von persönlicher Schwäche, kein Grund zum Schämen. Suche dir Unterstützung von Freund*innen und in deinem politischen Zusammenhang oder bei einer Out-of-Action Gruppe in deiner Nähe. Sollte es nicht besser werden, suche dir professionelle Unterstützung. Bleibe nicht allein damit.

Bist du Zeug*in von (Polizei-)Übergriffen geworden oder selber betroffen, schreibe auch in diesem Fall ein Gedächtnisprotokoll und melde dich beim EA.